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HauptAutor Christoph Rhyner: Frei gärtnern

Christoph Rhyner […] ist […] ein abenteuerlustiger, offener Geist – wenn ich ein Garten wäre, von einem solchen Blick würde ich betrachtet werden wollen. SRF-Moderatorin Mona Vetsch im Vorwort Der Schlüssel zum Gartenglück liegt für Christoph Rhyner darin, mit der … Weiterlesen →

Christoph Rhyner […] ist […] ein abenteuerlustiger, offener Geist – wenn ich ein Garten wäre, von einem solchen Blick würde ich betrachtet werden wollen.

SRF-Moderatorin Mona Vetsch im Vorwort

Der Schlüssel zum Gartenglück liegt für Christoph Rhyner darin, mit der Natur zu arbeiten anstatt gegen sie. Daher fordert er in seinem Buch «Frei gärtnern» dazu auf, einfach wachsen zu lassen und der Natur Raum zu geben.

Ob Gemüsebeet oder ein Topf auf dem Balkon: Gärten sind verschieden. Der Wunsch der Gärtner:innen nach grünem Erfolg ist es aber keinesfalls. Und daher möchte man verstehen, warum die eine Pflanze gedeiht, die andere aber nicht. Für den erfahrenen Gärtner Christoph Rhyner bedeutet Gärtnern vor allem: Freude.

Im Interview verrät er uns, ob ein unordentlicher Garten der bessere Garten ist und ob er einen Lieblingsplatz im Garten hat. Außerdem erklärt er, was es mit Black-Box-Gardening und der No-Dig-Methode auf sich hat.

Was bedeutet gärtnern für dich?

Gärtnern ist Freude. Punkt.

Und Psychohygiene. Egal wie der Tag verlaufen ist, wenn ich die Hände in die Erde stecken kann oder mit der Gartenschere schneiden, hegen und pflegen darf, kehrt in mir Ruhe ein. Außerdem sehe ich gleich, was ich gemacht habe. Zum Beispiel bei der Bepflanzung eines Beetes. Das ist ein gutes Gefühl. Ich ernte auch die wortwörtlichen Früchte meiner Arbeit. Das steht im Gegensatz zu meiner Arbeit als Primarlehrer. Da setze ich einen Samen. Ich bringe den Kindern etwas bei. Oder wir üben Sachen ein. Das wäre dann wie gießen oder düngen im Garten. Manchmal stellen sich die Erfolge aber erst in der Oberstufe ein oder noch später im Leben der Kinder. Dann sehe ich die Früchte nicht mehr. Vielleicht erfahre ich davon und kann mich darüber mit den ehemaligen Schülerinnen und Schülern freuen. In den meisten Fällen erfahre ich es aber leider nie. Im Garten ist das anders. Da sehe ich schnell Resultate. Außer natürlich, ich säe Eichen oder so. Aber eine Reihe Schnittsalat oder ein Päckchen Goldmohnsamen bringt schnell ein Erfolgserlebnis. Vom Säen bis zur Ernte des Salats oder dem Abblühen des Mohns bin ich mit dabei. Das tut gut. Den Garten in seiner Entwicklung und den Jahreszeiten zu beobachten, ist ein Erlebnis. Er ist zudem ein Ort, der mich zum Staunen bringt. Gärtnern zeigt mir immer wieder Zusammenhänge in der Natur auf. Dass wir mit Tieren und Pflanzen auf vielfältige Art zusammenhängen. In einem großen Ganzen, das es zu bewahren gilt. Und ohne das wir nicht leben können.

Was ist «BlackBox-Gardening»?

Das System ist vielen von uns aus den klassischen Bauergärten bekannt. Pflanzen können selber versamen und suchen sich einen geeigneten Platz. Auch die Vermehrung durch Ausläufer oder Ableger wird nicht gänzlich unterbunden, sondern bloß gelenkt. Unser Eingreifen beschränkt sich auf ein Minimun. Vielleicht versetzen wir einen Sämling an einen anderen Ort, den wir passender finden. Oder wenn eine Pflanze wirklich stört oder überhand nimmt, wird sie entfernt. Aber grundsätzlich schafft es die Natur immer überraschende «Gemälde» zu schaffen. Ich mag diesen Vergleich zwischen Kunst und Garten sehr. Weil die Pflanzen mit Farben und Formen wandern, ergeben sich Pflanzkombinationen, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Oder die ich mich nie getraut hätte, zu versuchen. Wir wissen was wir am Anfang gepflanzt haben, sehen aber später das veränderte Resultat. Wir wissen im übertragenen Sinne nicht, was in der Blackbox passiert. Daher kommt der Name. Da die Pflanzen so an einem ihnen zusagenden Ort wachsen, sind sie meistens auch gesünder und kräftiger. Dass wir uns durch diese Art zu Gärtnern, nicht mit aussäen und vereinzeln der Setzlinge herumschlagen müssen, versteht sich von selbst und ist für mich ein weiterer Pluspunkt. Weil äußerst bequem.

Was ist die NO-DIG-Methode und sollten wir alle schleunigst damit anfangen?

Unbedingt, ich kann nur empfehlen, diese Methode im eigenen Garten zu versuchen. Vielleicht zuerst mal auf einem Teilstück? Bei NO-DIG (zu deutsch in etwa „nicht umgraben“) wird, wenn möglich, auf das Umgraben der Beete verzichtet. So bleibt die Bodenfauna ungestört und kann ihre Arbeit machen. Ich stelle mir den Boden immer wie ein Hochhaus vor. Dann kommt die Gärtnerin oder der Gärtner und bringt mit der Schaufel alle Etagen durcheinander. Bis alle Lebewesen danach ihre Schicht gefunden haben, wo sie am besten «arbeiten», dauert’s wieder. Das können wir uns sparen. Mir hat die Erfahrung gezeigt, dass ich bloß durchs Jahr fleißig mulchen muss. Ich lege eine Schicht organisches Material auf das Beet und um die Pflanzen. Das kann z.B. Rasenschnitt oder Laub sein. Die Würmer und andere Bodenlebewesen verarbeiten das Material vor Ort zu bester, lockerer Erde. Die Pflanzen profitieren von diesem Dünger. Bis dahin bleibt das Beet durch den Mulch geschützt, z.B. vor Austrocknung. Und ich als Gärtner habe bei alledem weniger Arbeit. Klingt doch toll, oder?

Wie können wir unsere Gärten mit möglichst wenig Aufwand klimafit machen?

Durch so wenig umgraben wie möglich und mulchen – also NO-DIG – verringern wir die Verdunstung von Wasser aus dem Boden. Das hilft den Pflanzen trockenere Zeiten besser zu überstehen. Mulchmaterial fällt in unseren Gärten zur Genüge an. Wir können Rückschnitt gleich vor Ort wieder verwenden und zerkleinert um die Pflanzen legen. Mein Grundsatz ist immer, so wenig nackte Erde wie möglich zu haben. Das hilft auch beim anderen Wetterextrem, das uns zu schaffen macht – dem Starkregen. Der Boden ist so besser geschützt, das Wasser kann langsam versickern und schwemmt nicht gleich alles weg. Sowieso müssen wir meiner Meinung nach uns in unseren Breitengraden in Zukunft noch besser um die «Regenernte» kümmern. Wer also noch kein Regenfass hat, sollte sich schleunigst nach einem geeigneten Ort umsehen. So können wir dosiert Wasser verwenden, wenn es gebraucht wird.

Außerdem können wir im Garten beobachten, welche Pflanzen mit dem Wetter gut klar kommen und welche nicht. Wir werden nicht darum herum kommen, Klimaverlierer mit der Zeit zu verabschieden und sie durch resistentere Klimagewinner zu ersetzen. Das ist im Endeffekt arbeits- und nervenschonender.

Sprechen wir über Biodiversität: Ist ein unordentlicher Garten ein besserer Garten?

Grundsätzlich ja. Unordentlich heißt aber nicht ungepflegt. Unsere Gärten sind keine Naturschutzgebiete. Wir greifen alle immer wieder ein und das ist voll ok. Das ist schließlich die Freude am Gärtnern. Ich erschaffe etwas, ich wusle an der frischen Luft herum, ich hege und pflege. Wenn ich ein Hobby wollte, das keine Arbeit macht, hätte ich Schlafen gewählt! Bloß, der Biodiversität und schlussendlich uns allen tut etwas Zurückhaltung gut. Eben der Natur Raum geben und mal wachsen lassen. Getrauen wir uns, ihr die Kontrolle etwas mehr in die Hand zu geben! Vielleicht darf das Gras höher werden, wir bestaunen selbst versamte Pflanzen und lassen mehr Verblühtes als Kunstwerke der Natur stehen. Oder die Blattläuse werden von uns in Ruhe gelassen. Stattdessen erfreuen wir uns an den Meisen, die in den Rosen herum turnen und Laus für Laus als Futter für ihre Jungen einsammeln. Ein etwas unordentlicher Garten entspannt auch uns und lädt ein, ihn zu genießen. Sollte etwas dann tatsächlich für unseren Geschmack total aus dem Ruder laufen, können wir zur gegebenen Zeit reagieren. Als Schweizer:innen sind wir da sicher nie zu spät.

Wieso hast du dieses Buch geschrieben? Was möchtest du Leser:innen damit weitergeben?

Das Buch ist für mich eine Mischung zwischen einem Liebesbrief ans Gärtnern und einem Motivationsschreiben an alle, die sich sorgen, sie könnten etwas falsch machen dabei. Du wirst Sachen falsch machen, wenn du gärtnerst. Es wird die eine oder andere Pflanze sterben. Das ist die harte Wahrheit, die ich weder verschweigen noch verleugnen will. Aber es darf auch mal was in die Hose gehen. Es ist ok. Getrau dich, sei frech und frei um Neues zu versuchen. Erlebe die Freude am Erschaffen, Bewahren und Genießen. Das ist für mich Gärtnern. Nach dem Lesen des Buches sollen die Leserinnen und Leser nachvollziehen können, warum dieses Hobby mir so Freude macht. Und dass Gärtnern einfach bedeuten kann, dass wir den Garten beobachten und wir mit der Natur gärtnern, anstatt gegen sie. Es soll sie am Ende in den Fingern jucken, gleich die Hacke oder sonst was in die Hand zu nehmen und zur Tat zu schreiten. Ohne Angst vor dem Scheitern.

Hast du einen Lieblingsplatz in deinem Garten?

Oje, das ist in etwa so, wie wenn man Eltern fragt, ob sie ein Lieblingskind haben. Am liebsten entdecke ich den Garten und schaue an verschiedenen Orten, wie er sich entwickelt. Ich bleibe nicht an einem speziellen Platz hängen. Lustwandeln, also ein Spazieren ohne Ziel und Zeitdruck, beschreibt diese Tätigkeit wohl am besten. Wenn ich nun aber nur einen Lieblingsplatz auswählen sollte, ist es die Terrasse beim Haus. Dort kann ich am Gartentisch sitzen und einen Blick in die verschiedenen Bereiche des (fast) ganzen Gartens werfen. Das wäre dann wohl so etwas wie «Lustwandeln für die Augen». Ich kann von dort auch den Vögeln zuhören und die Insekten über der Wiese fliegen sehen. Außerdem sind die Terrassenfugen der Lieblingsort für mancherlei Pflanzensamen, den sie sich als Aussaatbeet auswählen. Ich entdecke dort immer wieder selbst versamte Schätze. Das finde ich faszinierend.

Alle Fotos: Sara Rhyner


Christoph Rhyner ist Primarlehrer und betreut in Teilzeit Projekte einer NGO im französischsprachigen Afrika. Er wohnt und gärtnert leidenschaftlich mit seiner Frau Sara in Grabs im St. Galler Rheintal. Er liebt es, den Garten im Wandel der Jahreszeiten zu beobachten und mit der Pflanzenwahl zu experimentieren. Ganz im Sinne von «Versuch und Irrtum». Seine Erfahrungen teilt er mit Menschen aus der ganzen Welt auf Instagram unter @christophsgaertli .