Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen
Herzlich Willkommen!

Die Schweizer Pärke: Der Naturpark Pfyn-Finges, die Unesco Biosphäre Entlebuch und der Parc du Doubs im Fokus

Wilde Flusstäler, weitläufige Alpen, Kirschbaum-Haine und historische Dörfer: Die Schweiz beheimatet heute 20 Pärke von nationaler Bedeutung, die sich durch vielfältige Naturräume, außergewöhnliche Landschaften und ein reiches kulturelles Erbe auszeichnen. Entstanden aus regionalen Initiativen, setzen sich die Trägerschaften und die … Weiterlesen →

Wilde Flusstäler, weitläufige Alpen, Kirschbaum-Haine und historische Dörfer: Die Schweiz beheimatet heute 20 Pärke von nationaler Bedeutung, die sich durch vielfältige Naturräume, außergewöhnliche Landschaften und ein reiches kulturelles Erbe auszeichnen. Entstanden aus regionalen Initiativen, setzen sich die Trägerschaften und die lokale Bevölkerung dafür ein, diese Schätze zu erhalten und gleichzeitig eine nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu fördern.

In unserem neuen Buch «Die Schweizer Pärke» stellen Nicolas Gattlen, Beat Jordi, Gregor Klaus, Kaspar Meuli und Lucienne Rey die Pärke mit ihren charakteristischen Landschaften, Lebensraumtypen, Tier- und Pflanzenarten sowie ihrer Entstehungsgeschichte vor.

In diesem Beitrag werfen wir einen exemplarischen Blick auf den Naturpark Pfyn-Finges, die Unesco Biosphäre Entlebuch sowie den Parc du Doubs und verraten, wie ein Waldbrand, die Alemannen und eine unterirdische Mühle die drei vorgestellten Pärke prägen und prägten. Lassen Sie sich überraschen:

DER NATURPARK PFYN-FINGES – EIN ZENTRUM DER ARTENVIELFALT IN DER SCHWEIZ

Im Gebiet von Salgesch hat ein historischer Bergsturz eine faszinierende Hügellandschaft geschaffen, die heute zu den bekanntesten Weinbaugebieten der Schweiz gehört.
Foto: Schweiz Tourismus

Kategorie: Regionaler Naturpark seit 2013
Fläche: 327 km2
Bevölkerung: 13’200
Kanton: Wallis

Über dem Naturpark Pfyn-Finges im Walliser Rhonetal kreisen Steinadler und Bartgeier. Bienenfresser und Wiedehopf brüten hier ebenso wie Pirol und Neuntöter, obwohl sie alle unterschiedliche Lebensräume bevorzugen. Der Talabschnitt zwischen Gampel und Siders mit seinen Felsensteppen, Schluchten, Föhrenwäldern, Flussauen, Rebbergen, Heckenlandschaften und Getreideäckern bietet ein Mosaik an vielfältigen Biotopen. Sie machen die Region zu einem Hotspot der Biodiversität.

Wussten Sie …
… dass ein Waldbrand als Treiber der Biodiversität fungiert?
So wie die Parabolantennen ist auch die 300 Hektaren große Waldbrandfläche von Leuk schon von Weitem deutlich sichtbar. Sie erstreckt sich oberhalb des Städtchens bis an die Waldgrenze. Während der Vegetationszeit fällt das hellere Grün der jungen Laubbäume auf, die sich farblich deutlich von den intakt gebliebenen Nadelwäldern der Umgebung unterscheiden. Seit dem Brandausbruch im Hitze- und Trockensommer 2003 sind mehr als 20 Jahre vergangen. Doch nach dem Laubfall im Spätherbst dominieren immer noch Zehntausende von dürren, teils verkohlten Föhren das Landschaftsbild. An ihre Stelle sind Pionierbäume wie Pappeln, Birken und Weiden mit ihren weit fliegenden Samen getreten. Der in menschlichen Dimensionen sehr langsame Prozess der natürlichen Wiederbewaldung ist jedoch eine Chance für andernorts teilweise seltene Pflanzen- und Tierarten. Unzählige Insekten, Vögel und Wildtiere finden an diesem dynamischen Hotspot der Biodiversität nicht nur ein üppiges Angebot an Totholz, Blütenpflanzen und weiteren Nahrungsquellen, sondern auch vielfältig strukturierte Lebensräume mit guten Versteckmöglichkeiten.

An den Rändern der Brandfläche kommen inzwischen wieder junge Lärchen auf, während die Waldföhre im größten Waldbrandgebiet der Schweiz Mühe mit den trockenen Lebensbedingungen hat. Nach Ansicht von Fachleuten der Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), welche die Entwicklung im Brandgebiet wissenschaftlich untersucht und dokumentiert hat, dürfte es zwei Jahrhunderte dauern, bis sich auch in den Höhenlagen an der Waldgrenze wieder ein standortüblicher Nadelwald etablieren kann. Unterhalb des Waldbrandareals deuten die terrassierten Hänge, mit von Hand ausgehobenen Gräben für die künstliche Bewässerung, darauf hin, dass die Gegend früher ein Zentrum des Roggenanbaus war. Betagte Einheimische erzählen noch heute davon, wie sie die monatelang aufbewahrten Brote im Winter jeweils mit einer Axt in kaubare Happen zerkleinerten und das wichtige Grundnahrungsmittel in warmer Milch aufweichten. Die zum Teil auf kleineren Parzellen wiederbelebten Roggen und Gerstenäcker mit ihrer Begleitflora aus Klatschmohn, Kornblumen, Flammen-Adonisröschen, Ackermannschild sowie rund 50 weiteren Arten bieten Lebensräume für zahllose Schmetterlinge, Heuschrecken, Wildbienen, Vögel und Kleintiere. Auf einem Modellfeld des Naturparks lässt sich die Vielfalt der Flora und Fauna bestaunen. Damit die strukturreichen offenen Flächen nicht verwalden, hat Pro Natura nicht mehr bewirtschaftete Felder und Trockenwiesen vom regionalen Forstdienst auslichten lassen. So hofft man, dass der Wiedehopf auf seinem alljährlichen Rückweg aus der Subsahara auch künftig die extensiv bewirtschaftete Kulturlandschaft der Leukerberge anfliegt und mit seinen «Hup-Hup-Hup»- Rufen
beschallt. Auf den zahlreichen ornithologischen Exkursionen, die der Naturpark anbietet, lassen sich die Vögel unter fachkundiger Begleitung beobachten. Regelmäßige Sommergäste sind im Brentjong auch die beiden Langstreckenzieher Neuntöter und Wendehals. Hin und wieder kann man im Gebiet auch Steinadler und den wiederangesiedelten Bartgeier auf Erkundungsflügen sichten. Das eigentliche
Revier des Bartgeiers ist jedoch die Felsenarena rund um die Plattenhörner am Gemmipass hoch über Leukerbad. An den trockenwarmen Hanglagen gefällt es zudem auch Reptilien wie der grün-blau gezeichneten Smaragdeidechse.

UNESCO-BIOSPHÄRE ENTLEBUCH – WEGBEREITERIN FÜR DIE NATURPÄRKE 

Blick von der Schüpferegg in den Taleinschnitt der Waldemme, die bei Schüpfheim zur
Kleinen Emme wird. Foto: Biosphäre Entlebuch, Beat Brechbühl

Kategorie: Regionaler Naturpark seit 2008
Fläche: 394 km2
Bevölkerung: 17’200
Kanton: Luzern

Im globalen Netz der rund 750 Biosphärenreservate steht das Entlebuch im Kanton Luzern für die voralpine Moor- und Karstlandschaft. Seit 2001 hat sich das Tal am Oberlauf der Kleinen Emme als UNESCO Biosphärenreservat zu einer Modell- und Vorzeigeregion entwickelt. In ihrem Bestreben, gesellschaftliche und wirtschaftliche Interessen mit ökologischen Anliegen zu vereinen, ist die Biosphäre Entlebuch eine Wegbereiterin der Schweizer Naturpärke.

Wussten Sie …
… dass die Alemannen im 8. Jahrhundert als Erste das Entlebuch besiedelten und so die Hochmoore entstanden?

Als die Alemannen im 8. Jahrhundert als Erste das Entlebuch besiedelten, war die von eiszeitlichen Hügelkuppen und tiefen Bachgräben geprägte Landschaft weitgehend bewaldet. Sie rodeten die Gebiete auf den flacheren und sonnenexponierten Anhöhen, während sie die Bäume an den Abhängen und an eher schattigen Standorten stehen ließen. Wo die Rodungen auf eher nassen Standorten erfolgten, konnten sich durch Beweidung und Mäharbeiten artenreiche Flachmoore mit den fast überall vorkommenden Wollgräsern und violetten Knabenkräutern entwickeln. Durch die Ansammlung von abgestorbenen Pflanzenresten, die in den ständig feuchten, nährstoffarmen und fast sauerstofffreien Böden vieler Flachmoore nur langsam abgebaut wurden, siedelten sich Torfmoose an. Auf diese Weise entstanden im Lauf der Zeit die über dem Grundwasserspiegel liegenden Hochmoore.

Schroffe Kalkfelsen und sanft geschwungene Hügelzüge: Auf den Gipfeln der Schrattenflue
taucht der Sonnenaufgang die Voralpenlandschaft in ein bezauberndes Licht.  Foto: Biosphäre Entlebuch, Martin Mägli

Zur Zeit der Alemannen ging die damals verbreitete Feldgraswirtschaft mit dem Bau von
weit verstreuten Einzelhöfen und Häusergruppen einher, die bis heute das Landschaftsbild der voralpinen Streusiedlung prägen. Zwischen den Bauernhöfen und Weilern fällt der Blick auf saftige Wiesen, markante Einzelbäume, Hecken, Waldinseln und geschwungene Erschließungswege, die als Ganzes das Bild einer harmonischen Kulturlandschaft zeichnen.

PARC DU DOUBS – EIN FLUSS ALS RÜCKGRAT 

Mitten im Naturschutzgebiet «Étang de la Gruère» liegt der gleichnamige Moorsee, der sich auf Brücken und Stegen umrunden lässt. Foto: Parc du Doubs

Kategorie: Regionaler Naturpark seit 2013
Fläche:  312 km2
Bevölkerung: 14’200
Kantone: Jura / Neuenburg / Bern

Der Park du Doubs zeichnet sich durch seine kontrastreichen Landschaften aus: Die Hochebene der Freiberge fällt an ihrem nordwestlichen Rand steil in die Schlucht des Doubs ab. Der Charakter des Flusses wechselt von wild schäumend in engen Felspassagen zu einem ruhigeren Lauf im Clos-du-Doubs bei Saint-Ursanne.

Wussten Sie …
… dass der Jura ein Eldorado für die Höhlenforschung ist?

Auch wenn die Wasserläufe an der Erdoberfläche fehlen, so gestalten sie doch spektakuläre unterirdische Landschaften. Der Jura ist ein Eldorado für die Höhlenforschung. Allein die Ortschaft Les Brenets ganz im Süden des Naturparks zählt zehn Höhlen, Le Locle sogar an die zwanzig. Gemeinsam mit dem Schweizer Institut für Speläologie und Karstforschung SISKA bietet der Park regelmäßige Exkursionen an, die dem besseren Verständnis der Unterwelt dienen. Sehenswert ist die Höhle der unterirdischen Mühlen beim Col des Roches am Ende des Tals von Le Locle (NE). Im Unterschied zu den Siedlungen des Hochplateaus verfügen die Orte im Tal über Wasser. Wichtiges Fließgewässer ist der Bied, ein rund sechs Kilometer langer Fluss, der beim Col des Roches als unterirdischer Wasserfall in ein Kalksteinbecken stürzt und in Frankreich in den Doubs entwässert. Bis ins 17. Jahrhundert sorgte er regelmäßig für Überschwemmungen am sumpfigen Ende des Tals, das somit kaum als Baugrund taugte.

Zwischen Muriaux und Le Noirmont führt ein Gratpfad mit in den Kalkstein gehauenen Treppenstufen zum gezackten Felskamm der Sommêtres. Der exponierte Aussichtspunkt bietet bei klarem Wetter eine grandiose Weitsicht auf das 550 Meter tiefer gelegene Flusstal
des Doubs. Foto: Parc du Doubs

Drei Müller aus Le Locle richteten Mitte des 16. Jahrhunderts ihre Mühle kurzerhand in der Kalksteinhöhle ein. 1660 erwarb ein Steuerverwalter aus der Region die Höhle und baute sie aus zu einer unterirdischen Fabrik mit Getreide- und Ölmühlen sowie einem Sägewerk. Die einzelnen vom Wasserfall angetriebenen Räder hat man dabei vertikal
untereinander im Fels verankert. 1898 änderte die imposante Anlage ihre Bestimmung und wurde zu einem Schlachthaus. Im Gebrauch standen nur noch die oberirdischen Gebäude; die Höhle selbst diente als Müllgrube für Schlachtabfälle und Abwasser. Bis in die späten 1970er-Jahre wurden im Jura zahlreiche Kavernen als Abfalldeponien missbraucht und Müll unterirdisch im Karst «entsorgt.» Dieser ökologische Sündenfall bedrohte unmittelbar das Grundwasser, den Doubs und letztlich auch die Jurarandseen. Denn der Regen sickert durch die Klüfte im Kalkstein und schwemmt dabei auch Schadstoffe aus. 1966 stellte das inzwischen unrentable Schlachthaus westlich von Le Locle den Betrieb ein, und die verschmutzte Grotte wurde sich selbst überlassen.
1973 beschloss eine engagierte «Bruderschaft der Müller», die Höhle zu reinigen und die Mühle wieder aufzubauen. Das herkulische Unterfangen zog sich über Jahre hin. Seit 1987 lassen sich die unterirdischen Mühlen als Museum besichtigen. Etwa in der Mitte des Rundgangs offenbart ein Farbwechsel im Fels, wie hoch der faulige Schlamm der Abfälle einst reichte. Um die Wasserkraft nutzen zu können, wandten die Gewerbetreibenden in den Freibergen einen weiteren Trick an: Sie legten in den Mooren Kanäle an und leiteten das Wasser in künstlich angelegte Teiche. Mit dem abfließenden Wasser trieben sie Mühlen an. Das war beim kleinen Étang des Royes der Fall und auch beim Étang de la Gruère bei Saignelégier, dem heute streng geschützten und berühmtesten Moor im Parc du Doubs, das jährlich rund 150’000 Personen besuchen. Dadurch entstanden idyllische Landschaften von nahezu skandinavischer Ausstrahlung. Doch der Torfstich schadete den Mooren, ebenso die alten Drainagen, die ihnen heute noch Wasser entziehen. Am Étang de la Gruère setzen der Bund und der Kanton Jura derzeit aufwendige Restaurierungsmaßnahmen um: So sollen etwa Dämme die entwässernde Wirkung der Kanäle aus dem 17. Jahrhundert unterbinden, damit sich ursprüngliche Moorpflanzen wie insbesondere die Torfmoose wieder verbreiten können. Das am Rand des Naturschutzgebiets Étang de la Gruère gelegene und im Namen des Naturparks für Umweltbildung zuständige Naturzentrum von Les Cerlatez vermittelt viel Wissenswertes über die Hochmoore und zeigt auch Wechselausstellungen zu verschiedenen Naturthemen.


Nicolas Gattlen, Beat Jordi, Gregor Klaus, Kaspar Meuli und Lucienne Rey sind Mitglieder der Journalistengemeinschaft OECOCOM. Sie decken verschiedene Fachgebiete von Biologie über Geologie bis Geschichte ab und verfassen im Auftrag verschiedener Verlage, Nichtregierungsorganisationen und Fachämtern Beiträge über Umwelt- und Naturthemen.