
Der Igel – Nachbar und Wildtier
Igel gehören zu den meist gesehenen und auch zu den beliebtesten Wildtieren. Vermehrt entdeckt man sie in Siedlungsräumen, dort finden sie sowohl Nahrung als auch Unterschlupfmöglichkeiten. Igel sind nachtaktiv, den Tag verbringen sie versteckt schlafend in Wiesen, in Gebüschen oder in Hohlräumen unter Asthaufen und dergleichen. Doch was treiben die süßen und zugleich stacheligen Vierbeiner eigentlich in unseren Gärten? Was gilt es im Zusammentreffen mit ihnen zu beachten? Wie kann man Igel unterstützen ohne zu fest einzugreifen?
Im Buch «Der Igel – Nachbar und Wildtier» präsentieren und porträtieren unsere Autorinnen Anouk-Lisa Taucher und Madeleine Geiger das beliebte Wildtier. In diesem Beitrag wird Einblick in das Buch in Form eines Inputs gewährt, der eine Vielzahl an Fragen zu Igeln aufführt. Diese werden ausführlich von den beiden Autorinnen beantwortet. Wir wünschen viel Vergnügen beim Lesen.

©Didier Jeannin, nosvoisinssauvages.ch
Wie erkenne ich, ob in meinem Garten ein Igel lebt?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, einen Igel im eigenen Garten nachzuweisen. Die einfachste Methode ist, sich nach Sonnenuntergang ruhig in den Garten zu setzen und abzuwarten, ob man Igel sieht. Man kann sich auch tagsüber auf die Suche nach Spuren begeben. Selten kann man den Kot eines Igels finden, dieser ist etwa so groß wie der kleine Finger und meist sehr dunkel ( fast schwarz ). Außerdem können kleine Löcher in der Wiese die Anwesenheit von einem Igel verraten. Diese Löcher werden mit der Schnauze auf der Suche nach Engerlingen und Würmern gegraben. Weiter können Hilfsmittel wie eine Wildtierkamera oder ein Spurentunnel helfen, Igel nachzuweisen. Falls Sie einen Igel in Ihrem Garten haben, heißt dies nicht, dass er nur in Ihrem Garten wohnt. Igel wandern ungefähr 0,5–1,5 Kilometer weit auf der nächtlichen Futtersuche. Ein Igel besucht also in einer Nacht viele verschiedene Gärten und Parks auf der Suche nach Futter; ein Garten alleine reicht meistens nicht. Manchmal können gleich mehrere Igel im Garten entdeckt werden, da Igel nicht territorial sind.
Was soll ich tun, wenn ich draußen einen Igel sehe?
Freuen Sie sich über diese wahrscheinlich nicht alltägliche Begegnung und beobachten Sie das Tier aus der Distanz. Igel sind Wildtiere und kommen gut ohne menschliche Hilfe zurecht, es ist also in den allermeisten Fällen nicht nötig, den Tieren zu helfen. Dies gilt auch für den Siedlungsraum : Igel kennen ihr Streifgebiet und queren mehrere Straßen pro Nacht. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz gibt es zahlreiche Citizen Science Projekte, bei denen sich Bürgerinnen und Bürger bei der Datenerhebung und Erforschung von Wildtieren aktiv beteiligen können. Einige dieser Projekte sammeln Beobachtungen von Wildtieren, um deren Vorkommen und Verbreitung zu erforschen. Melden Sie Ihre Beobachtungen von toten und lebendigen Wildtieren und deren Spuren bei den entsprechenden Citizen Science Projekten.
Was tun, wenn ich einen lebenden Igel mitten auf der Straße finde?
Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind, so halten Sie an. Hupen Sie nicht und blenden Sie das Tier nicht mit den Scheinwerfern/dem Fernlicht. Warten Sie am besten, bis der Igel die andere Straßenseite erreicht hat. Hat der Igel vor Schreck seine Abwehrhaltung eingenommen, so können Sie ein Tuch nehmen und das Tier darin in seiner Laufrichtung auf die andere Straßenseite tragen. Achten Sie dabei aber auf jeden Fall auf Ihre eigene Sicherheit!
Allgemein gilt : Fahren Sie bei Dämmerung und in der Nacht mit angemessener Geschwindigkeit und mit Bremsbereitschaft, vor allem auf Quartierstraßen und wenn Hecken den Straßenrand säumen.
Was soll ich tun, wenn ich im Winter einen Igel sehe?
Obwohl Igel die Zeit von Oktober/November bis März/April im Winterschlaf verbringen, ist ein im Winter aktiver Igel an sich kein Grund zur Sorge – insbesondere in milden Winterperioden sind immer wieder Igel unterwegs und ergänzen ihre Winterreserven mit zusätzlicher Nahrung. Es kann aber auch sein, dass ein Igel unterwegs ist, weil sein Nest unbewohnbar geworden ist und er ein neues suchen muss. Falls Sie also im Winter bei Schnee einem Igel begegnen und sich Sorgen machen, beobachten Sie ihn aus der Ferne genau. Gibt es Anzeichen dafür, dass er krank, abgemagert oder verletzt ist, melden Sie sich bei Ihrer nächsten Igel-Auffangstation.
Wie kann ich Igeln helfen?
Igel sind sehr gut an ihren Lebensraum angepasst und benötigen normalerweise keine menschliche Hilfe. Sie können den Tieren jedoch unter die Ärmchen greifen, indem Sie Ihren Garten möglichst naturnah gestalten oder sich für naturnahe Lebensräume in Ihrer Siedlung oder in Ihrer Umgebung einsetzen. Machen Sie Ihren Garten für Igel zugänglich und lassen Sie in einigen Bereichen etwas Wildheit zu. Lassen Sie dazu z. B. das Laub liegen und schaffen Sie Asthaufen als Verstecke. Am besten verzichten Sie ganz auf Dünger und Pestizide. Gefahren wie z. B. offene Schächte und steilwandige Teiche sollten neutralisiert werden. Igel und andere Wildtiere schätzen auch Wasserschalen, da Siedlungsräume oft trockene Gebiete sind. Diese Wasserschalen sollten Sie jedoch regelmäßig reinigen und mit frischem Wasser füllen. Von einer Fütterung von Wildtieren raten wir ab.

©Didier Jeannin, nosvoisinssauvages.ch
Soll ich Igel füttern?
Igel sollten generell nicht gefüttert werden. Sie sind Wildtiere, die gut ohne menschliche Hilfe in ihrem Lebensraum zurechtkommen. Eine Fütterung kann mehr schaden als nützen. Es gibt jedoch einige wenige Ausnahmen : Findet man zu leichte Tiere im Spätherbst ( unter 500 g ) sowie früh aus dem Winterschlaf erwachte Tiere im Spätwinter/ Vorfrühling bei einem gleichzeitigen Kälteeinbruch, kann es sinnvoll sein, den Igeln nasses Katzen- oder Hundefutter bereitzustellen. Eine solche Fütterung muss aber so schnell wie möglich wieder eingestellt werden und sollte zuerst mit einer Fachperson von einer Igel-Auffangstation abgesprochen werden. Das künstliche Futter, inklusive eigens für Igel entwickeltes «Igelfutter» ist für Igel nicht so gesund wie ihre natürliche Nahrung. Milch darf auf keinen Fall gegeben werden, da Igel den darin enthaltenen Milchzucker nicht verdauen können und Durchfall bekommen. Auch pflanzliche Kost wie Brot, Rosinen, Nüsse und Äpfel dürfen nicht gefüttert werden, da der Magen-Darm-Trakt der Igel, der auf die Verwertung von tierischer Kost abgestimmt ist, diese nicht verdauen kann. Gezuckerte Speisen wie beispielsweise Kekse sind ebenfalls gänzlich ungeeignet. Außerdem erhöhen die Futterstellen das Risiko für Krankheitsübertragungen zwischen den Tieren und der zu starken Gewöhnung von ebenfalls angelockten, eventuell unerwünschten Wildtieren wie Füchsen, Dachsen und Ratten. Zu zahme Füchse und Dachse müssen oft geschossen werden. Um diese Tiere von der Igelfutterstelle fernzuhalten, sollte diese nur für Igel zugänglich sein.
Gehören Igel nicht eher aufs Land als in die Stadt/ins Siedlungsgebiet?
Igel brauchen einen reich strukturierten Lebensraum mit Kleinstrukturen (z. B. Hecken und Asthaufen), um sich zu verstecken, sowie offene Wiesenflächen für die Nahrungssuche. Die heutigen, oft intensiv bewirtschafteten und deshalb ausgeräumten Landwirtschaftsgebiete bieten wegen ihrer Uniformität den Igeln kein Zuhause mehr. Die naturbelassenen Gärten und Grünanlagen der Siedlungsgebiete bieten Igeln hingegen einen idealen Lebensraum mit einer großen Strukturvielfalt, Versteckmöglichkeiten und offenen Flächen zur Nahrungssuche.
Machen Igel Geräusche?
Igel können verschiedenste Geräusche von sich geben. Auf der Suche nach einem Igel lohnt es sich die Ohren zu spitzen. Oft hört man den Igel, bevor man ihn sieht. Ein Igel auf Nahrungssuche verrät sich durch das Rascheln im Gebüsch oder durch sein Schnüffeln. Lauter zu und her geht es bei der Paarung, dem sogenannten «Igelkarussell». Dabei versucht das Männchen beim Weibchen aufzusitzen, dieses schubst ihn weg und faucht dabei unentwegt. Dieses Spektakel kann sich über Stunden, ja sogar Tage hinwegziehen. Lungenwürmer, Parasiten, welche die Lungen des Igels befallen, können bei Igeln auch ein Keuchen oder Husten auslösen, welches gut hörbar ist.
Können Igel schwimmen?
Ja, Igel sind ziemlich gute Schwimmer. Trotzdem können Gartenteiche oder Schwimmbäder mit steilen Außenwänden zur Todesfalle werden, wenn sich der Igel nicht mehr daraus befreien kann. Mit einer einfachen Ausstiegshilfe kann Abhilfe geschafft werden.
Kann ein Igel im Garten Probleme mit Haustieren bereiten?
Hunde können gesunden, erwachsenen Igeln normalerweise nichts anhaben, obwohl sich Jagdhunde trotz Stacheln in Igel verbeißen können. Jedoch können junge oder geschwächte Igel, deren Einrollmechanismus ( noch ) nicht richtig funktioniert, durch Hunde verletzt oder sogar getötet werden. Hunde sollten bei Dunkelheit deshalb nicht frei laufen gelassen werden. Katzen und Igel gehen sich normalerweis aus dem Weg. Findet die Fütterung von Hunden und Katzen im Freien statt, sollte jedoch darauf geachtet werden, dass in der Nacht kein Futter draußen stehen bleibt, um keine Igel und andere Wildtiere wie Füchse und Ratten anzulocken.

©Familie Hofer, Guggisberg
Kann ich mir einen Igel als Haustier halten?
Die bei uns einheimischen Igel sind von Gesetzes wegen in Deutschland, Österreich und der Schweiz geschützt und dürfen nicht als Haustiere gehalten werden. Igel dürfen nur von Fachleuten und nur für eine begrenzte Zeit in Gefangenschaft gehalten werden, beispielsweise zum Behandeln von Krankheiten. Sobald das Tier geheilt ist, muss es wieder in die Freiheit entlassen werden.
Anouk-Lisa Taucher studierte Biologie an der Universität Zürich und arbeitet als Wildtierbiologin bei SWILD und in den Projekten StadtWildTiere und Wilde Nachbarn. Als Projektleiterin ist sie maßgeblich in unterschiedliche Projekte zur Erforschung der Verbreitung und des Rückganges der Igel in fünf Schweizer Städten und schweizweit involviert.
Madeleine Geiger hat an der Universität Zürich in Biologie promoviert. Sie arbeitet heute als Wissenschaftlerin an der Universität Zürich und bei SWILD. Der Schwerpunkt ihrer Forschung beinhaltet verschiedene Stufen des Zusammenlebens von Mensch und Tier bis hin zur Domestikation und deren Auswirkungen auf Körperbau, Entwicklung, Evolution und Ökologie.
Fotos der Autorinnen: ©Franziska Lörcher, swild.ch