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Vom Gärtnern in Gemeinschaft: Teil 2

So langsam habe ich es wohl raus. Nach nur einer halben Stunde mit konzentriert zusammengekniffenen Augen kann ich das Grün der jungen Möhren, die wir vor einigen Wochen gesät haben, von dem Grün der jungen Kamillentriebe­­ unterscheiden, die drohen, unsere … Weiterlesen →

So langsam habe ich es wohl raus. Nach nur einer halben Stunde mit konzentriert zusammengekniffenen Augen kann ich das Grün der jungen Möhren, die wir vor einigen Wochen gesät haben, von dem Grün der jungen Kamillentriebe­­ unterscheiden, die drohen, unsere kommende Ernte zu überwuchern. Ich stehe auf dem Feld der Solidarischen Landwirtschaftsinitiative «Radiesli» im idyllischen Worb, nahe bei Bern, fest entschlossen, unsere Rübenbabies zu verteidigen. Okay, ich stehe gar nicht, sondern robbe mich auf allen Vieren Zentimeter für Zentimeter voran, mit einem Messer bewaffnet und zum Glück nicht allein. Im Unkraut-Zupf-Team sind wir heute zu zweit.

Dass die rund 100 Mitglieder von «Radiesli» in diesem Herbst alle Möhren auf den Tellern haben werden, liegt heute in unseren Händen. Eine ungewohnte Art der Verantwortung für jemanden, der beruflich sonst mit Büchern beschäftigt ist, und dabei meist gewaschene Hände hat.

Ein Teil des Feldes: ein paar Blumen dekorieren den Kohl

Vor rund vier Jahren entdeckte ich auf einem Spaziergang durch meinen Stadtteil einen Flyer mit einem handgemalten Radieschen darauf und dem Satz «Radiesli – dein Gemüse kennt dich!» In Zeiten, wo man aufpassen muss, dass das eigene Essen keine sinnlos langen Reisen unternimmt und man dadurch fast aus Versehen maßgeblich zur Energiekrise beiträgt, klang das sehr sympathisch. Es stellte sich heraus, dass hinter diesem kleinen Flyer eine Gemeinschaft von Menschen steckte, die etwas tun, das zwar im Grunde logisch und dennoch nahezu revolutionär ist:

Sie – also wir – besitzen gemeinsam ein Feld knapp vor der Stadtgrenze von Bern, bauen dort unter der Leitung von zwei Gemüsegärtnerinnen ihr Essen an und teilen alles durch die Anzahl Mitglieder. Mit «alles» ist hierbei sowohl das Gemüse gemeint als auch die anfallenden Kosten, die Arbeit und die Verantwortung dafür, was am Ende auf den Tellern landet. Die Gärtnerinnen bekommen natürlich einen Lohn, der auch zum Budget gehört. Aber im Gegensatz zu einem konventionellen Gemüseanbaubetrieb tragen wir auch gemeinsam das Risiko, das die Zusammenarbeit mit der Natur immer birgt. Wenn in einem Jahr der Lauch nichts wird, weil ein Schädling aufgrund des Wetters besonders gute Karten hatte, dann ist das halt so. Die Gärtnerinnen bleiben nicht auf ihren Erträgen sitzen oder machen womöglich sogar Verlust, obwohl sie nichts für die Umstände können. Sie müssen sich auch nicht überlegen, ob sie doch lieber zu chemischen Mitteln greifen, die dann wieder die Böden und natürlich auch die Nahrungsmittel an sich belasten. Für mich ist dies die ehrlichste, fairste und logischste Variante, an mein Gemüse zu kommen. Jetzt wissen Sie, woher das Wort «Solidarische» in «Solidarische Landwirtschaft» kommt – auf Englisch «Community Supported Agriculture» genannt.

Frisch gepflückt

Neben dem gemeinsamen in der Erde Wühlen finden auf dem Acker auch Veranstaltungen wie Konzerte oder Feste statt. Denn der Mensch lebt nicht von Möhrchen allein.

Mittlerweile liegen wir damit sogar im Trend: «Community Gardening» in seinen unterschiedlichen Formen findet immer mehr Anhänger. Leute, die gemeinsam Gärtnern möchten, die selber darüber entscheiden wollen, wie das, was sie essen, angebaut wird, die darüber mitbestimmen möchten, wer daran verdient und wie die Böden behandelt werden, auf dem das Essen wächst. Neben dem ökologischen und ernährungstechnischen Aspekt ist es eben die Gemeinschaft, die viele Leute dazu bewegt, sich zusammen zutun und ein Stück Land zusammen zu beleben und bepflanzen.

Es gibt natürlich zwischen dem eigenen Schrebergarten und Initiativen wie dem Radiesli eine grosse Spannweite von unterschiedlichsten Arten, gemeinsam zu gärtnern. Viele solcher Ideen und Anregungen finden Sie in Ben Raskins Buch «Community Gardening – Gemeinschaftsgärten aufbauen und pflegen», in dem er ganz verschiedene Arten von Gemeinschaftsgärten porträtiert. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist verblüffend, ob man nur einen handtuchgroßen Vorgarten hat oder ein kleines ungenutztes Gebiet hinter der Dorfkirche nutzbar machen möchte!

Ferner gibt Raskin zahlreiche Informationen dazu, was alles bedacht werden muss, wenn Sie auch gerne Teil eines solchen Projekts werden – oder gar selber eins ins Leben rufen möchten. Er vermittelt das nötige Grundwissen, damit ein Gemeinschaftsgarten von Anfang gute Startbedingungen hat. Aber was ist, wenn man den Platz gefunden, die für sich beste Form des gemeinsamen Gärtnerns erdacht und mögliche bürokratische Hürden genommen hat? Dann kann Mithilfe des Pflanzenverzeichnisses im letzten Kapitel  schon bald konkret zu Samentütchen, Schaufeln und Jät-Messern gegriffen werden. Und dann knien Sie vielleicht schon bald wie ich auf Ihrem Stück Land, versuchen, Kamille von Rüben zu unterscheiden und freuen sich auf die Ernte im Herbst.

Einer der hartgesottenen Feldbewohner: Palmkohl erträgt sogar Schnee

 


Wer sich dieses Jahr zum ersten Mal ans Gärtnern wagen möchten, dem empfehlen wir unseren dreiteiligen Kurs «Was bringt das Gartenjahr?».