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HauptAutoren Thomas Griesohn-Pflieger und Iris Lichtenberg: Federkleid & Flügelschlag

«Federkleid und Flügelschlag» – so heißt das neue Buch von Thomas Griesohn-Pflieger und Iris Lichtenberg, das letzten Herbst im Haupt Verlag erschienen ist. Darin porträtieren die beiden Vogelliebhaber rund 100 heimische Vogelarten. Neben fachlichen Infos zu Biologie und Ökologie, hebt … Weiterlesen →

«Federkleid und Flügelschlag» – so heißt das neue Buch von Thomas Griesohn-Pflieger und Iris Lichtenberg, das letzten Herbst im Haupt Verlag erschienen ist. Darin porträtieren die beiden Vogelliebhaber rund 100 heimische Vogelarten. Neben fachlichen Infos zu Biologie und Ökologie, hebt sich das Buch durch persönliche Erlebnisse und Begegnungen der beiden Autoren von anderen ornithologischen Sach-und Fachbüchern ab. Auch werden die Texte von Illustrationen der bedeutenden Schweizer Künstler und Naturforscher Léo-Paul und Paul-André Robert begleitet, was dem Buch zusätzlich einen künstlerischen Aspekt verpasst.

In einem Interview haben wir die beiden Autoren gefragt, wie es überhaupt zu diesem Buch gekommen ist. Zudem verraten die beiden, welche Vogelarten es ihnen besonders angetan haben und erzählen von unvergesslichen Erlebnissen mit den gefiederten Freunden.

Léo-Paul Robert – Rabenkrähen © Stiftung Sammlung Robert, NMB Neues Museum Biel

Erzählen Sie uns etwas über die Entstehung des Buches. Wie kam die Idee für dieses Buch zustande? Wie gestaltete sich Ihre Zusammenarbeit? Wer war für was zuständig?

Thomas Griesohn-Pflieger (TGP): Im Haupt-Verlag erschien ein Buch, das mir gut gefallen hat: «Flora Amabilis». 100 Pflanzenarten werden darin mit persönlicher Note des Autors vorgestellt und mit einem Aquarell illustriert. Ich hatte sofort die Idee ein ähnliches Buch, etwa «Avifauna Amabilis», vorzuschlagen und musste Iris, die ähnlich denkt wie ich, nicht lange überreden. Es gab ein Problem dabei: Woher die Illustrationen nehmen? Dann hatten wir großes Glück! Zeitgleich mit der Suche ergab sich die Kooperation des Verlages mit der Stiftung Robert. Verlag und wir entschlossen uns zu einer aufwändigen und sehr wertigen Produktion mit längeren Texten als ursprünglich gedacht, weil auch das Format wegen der wunderbaren Bilder viel größer wurde. Die Vogelarten haben wir «al gusto» unter uns verteilt. Der Austausch – wir haben uns gegenseitig immer angestachelt – über die Texte hat uns beflügelt, angetrieben und Mut gemacht, wirklich «persönlich» zu werden.

Woher kommt die Faszination am Tier Vogel?

Iris Lichtenberg (IL): Vögel gehören zu den wenigen Wildtieren, die sich ohne großen Aufwand und überall beobachten lassen. Wenn man sich nur ein wenig Zeit nimmt, gewinnt man durch ihre Beobachtung ein Gespür für die Veränderungen im Jahres- und Tagesverlauf. Man fühlt sich der Natur schnell näher. Und natürlich sind sie einfach wunderschöne Geschöpfe.

TGP: Vögel sind uns sehr ähnlich, deshalb meinen wir oft sie verstehen zu können. Sie sind fast alle visuell orientiert und nicht mit der Nase unterwegs, wie die meisten Säugetiere. Deshalb sind viele Vögel auch bunt und tagaktiv. Sie gehen wie wir auf zwei Beinen und es gibt sie überall! Es gibt wohl keinen Flecken auf der Erde, über den noch kein Vogel geflogen wäre. Wir können fast überall nach kurzem Warten einen Vogel sehen.

Das Thema «Verniedlichung» ist ein großes Thema, das Sie beide im Buch thematisieren. Worin sehen Sie die Problematik hierbei?

IL: Verniedlichungen dienen oft der Abgrenzung und Abwertung. So würde sich heute keine unverheiratete erwachsene Frau mehr «Fräulein» nennen lassen. Es gibt keinen wissenschaftlichen Grund bei Tieren von «Männchen» und «Weibchen» zu sprechen, man stellt mit diesen Begriffen lediglich eine künstliche Distanz her, es ist letzten Endes ein Ausdruck unserer patriarchalischen Haltung gegenüber Tieren.

TGP: Wir teilen uns alle diesen Planeten und sind aufeinander angewiesen. Die distanzierte Haltung, die sich in der Verniedlichung ausdrückt, verneint diese gegenseitige Abhängigkeit, ist arrogant und zerstörerisch. Wenn wir uns klar machen, dass wir alle einen Ursprung haben und eine Heimat und sehr ähnliche Sorgen, werden wir mit anderen Augen auf die anderen Lebewesen schauen. Ich würde mich freuen, wenn das in unseren Texten deutlich wird.

An wen richtet sich Ihr Buch?

IL: An alle, die sich für die Natur interessieren, für gute Geschichten oder die einfach schöne Bücher lieben. Unsere Texte sind kurz und abwechslungsreich. Wir möchten den Lesern einen Einblick in die faszinierende Welt der Gefiederten bieten. Die wunderschönen Illustrationen machen das Buch auch für bibliophile Leser interessant.

In dem Buch beschreiben Sie neben den 100 Vogelarten auch ganz persönliche Erlebnisse oder Begegnungen. Welches Ereignis hat Sie besonders geprägt?

TGP: Ich beobachte Vögel, seit ich laufen kann und habe viele hundert Vogelarten in vielen Ländern kennenlernen dürfen. Durch sie habe ich auch Pflanzen und andere Tiere kennengelernt. Es gibt eigentlich keinen Beobachtungsgang ohne persönliche Begegnung, bei der ich mich gesehen fühle und selbst auch einen Vogel, und wenn auch nur für Sekunden, als Gegenüber wahrgenommen hätte.
Ziehende Kraniche über meinem Elternhaus, ich muss so sechs Jahre alt gewesen sein, habe ich bis heute nicht vergessen können und dieses damals aufregende Erlebnis klingt heute noch mit, wenn ich sie ziehen sehe.

IL: Ich bin ja erst spät von der allgemeinen Naturkunde zur Vogelbeobachtung gekommen, angeregt durch meine Ganzjahresfutterstelle im Garten. Die Vielfalt der Vögel, ihre unterschiedlichen Verhaltensweisen, ihre Schönheit habe ich zuvor nie so intensiv wahrgenommen. Es gibt natürlich Ereignisse, die man nie vergisst: der Gesang der Eisenten im Hafen von Longyearbyen, das Auffliegen von 2.000 Bergenten, wenn der Seeadler auf sie hinabstößt, die Grauschnäpper, die auf einem Ast am Wegesrand ihre gerade dem Nest entwachsenen Jungen füttern. Die Vogelbeobachtung führt einen mitten in die Natur, mit ihrem Kreislauf von Leben und Tod, wenn man sich darauf einlässt.

Welches ist Ihr Lieblingsvogel und welches Ihre Lieblingsillustration aus der Sammlung Robert?

IL: Einen einzigen Lieblingsvogel habe ich nicht, jede Vogelart hat ihren individuellen Reiz. Ich beobachte sehr gerne Möwen und alle Krähenvögel, aber auch Limikolen (Watvögel) und Greife. Die Illustrationen aus der Sammlung Robert beeindrucken vor allem durch ihre Lebendigkeit und Genauigkeit. Die Abbildung der Pirole am Nest finde ich fantastisch, aber auch die Graureiher und die Bergstelzen und viele mehr.

Léo-Paul Robert – Pirole © Stiftung Sammlung Robert, NMB Neues Museum Biel

Paul-André Robert – Graureiher © Stiftung Sammlung Robert, NMB Neues Museum Biel

TGP: Es gibt Vogelarten, die ich in Feld und Wald wie alte Menschen-Bekannte auf der Straße wahrnehme und begrüße. Kraniche gehören dazu, aber auch Stare, Kiebitze, der Zaunkönig, Zilpzalp, der Turmfalke und andere, die ich früh als Kind schon kennengelernt habe. Ich habe keinen Lieblingsvogel oder einen, den ich nicht mag.
Wenn ich in dem Buch blättere auf der Suche nach dem einen Lieblingsbild, scheitere ich. Es ist fantastisch, wie die Roberts es geschafft haben, so viel Leben in die Bilder zu hauchen. Sie müssen Stunden damit verbracht haben, die Körperhaltungen der Vögel zu studieren.

Paul-André Robert – Kiebitze © Stiftung Sammlung Robert, NMB Neues Museum Biel

Inwiefern unterscheidet sich das Buch von anderen Vogelbüchern? Worin liegt die Einmaligkeit des Buches?

TGP: Es ist ein sehr persönliches Buch. So etwas habe ich selbst lange vermisst. Als Kind las ich das Buch «Der große Binsensee» von Walter von Sanden-Guja. Dort konnte ich lesen, WIE das ist, einen bestimmten Vogel zu sehen oder besser zu erleben. In den anderen Büchern erfuhr ich, wie schwer und groß der Vogel ist, wo er vorkommt und vielleicht noch Details aus seiner Biologie. Aber ich wollte mehr erfahren, WIE ist das, einen Sumpfrohrsänger zu erleben? Dieses Interesse am Leben ist in unserem Buch hoffentlich zu spüren.

IL: Unser Buch folgt der Tradition des «Nature Writing», die vor allem im englischsprachigen Raum sehr verbreitet ist: Wissensvermittlung mit persönlicher Erfahrung zu verbinden. Keine Angst vor Emotionen, deren Ausdruck im deutschsprachigen Raum noch immer als unwissenschaftlich gilt. Damit meinen wir aber nicht eine Vermenschlichung von Tieren, sondern eine Vermenschlichung der Haltung gegenüber Tieren.

Zum Schluss des Buches kommen Sie auf die Thematik «Vogelbeobachtungen» zu sprechen. Was gehört zur Grundausstattung für eine erfolgreiche Beobachtungssession?

IL: Die wichtigste Grundausstattung ist Neugier und Offenheit. Wenn man dann noch ein gutes Fernglas hat und ein wenig Geduld, hat man schon sehr gute Voraussetzungen dafür, schöne Beobachtungen zu machen. Alles andere kommt dann automatisch: das erste Bestimmungsbuch zum Beispiel.

Was gilt es ferner zu beachten als Neuling beim Vögel beobachten?

IL: Respekt und Zurückhaltung. Man wird viel mehr beobachten können, wenn man die Fluchtdistanz der Vögel respektiert. Wenn man auf den Wegen bleibt, nähern sich viele Vögel automatisch, da sie wissen, dass Menschen Wege meist nicht verlassen. Gute Beobachtungen brauchen Zeit und Ruhe.

TGP:  Zeit und Ruhe sind wichtige Stichworte. Wer es schafft, sich einzulassen, wird die unglaublich entspannende Wirkung der Vogelbeobachtung, Naturbeobachtung generell, erleben können. Der Fokus geht weg von den um-das-Selbst-kreisenden Gedanken. Wir geben uns dem Geschehen, dem Leben hin und erkennen das Gemeinsame. Das kann sehr tröstlich und beruhigend sein.


Thomas Griesohn-Pflieger ist Journalist und Buchautor. Er baute das Magazin VÖGEL auf und gründete später die Zeitschrift «Naturgucker». Als Reiseleiter und Dozent leitet er international vogelkundliche Reisen. Im Web ist er seit 1995 mit birdnet.de aktiv.

 

Iris Lichtenberg ist Ingenieurin für Energie- und Umwelttechnik. Sie befasst sich seit ihrer Jugend mit Naturkunde, ist passionierte Vogelbeobachterin und Redaktionsmitglied bei birdnet.de.