
Illustrationen für Naturbücher
Eine Herausforderung an den Biologen und Künstler Roland Spohn
Heute erstaunt es viele, wenn sie von einem Akademiker erfahren, der die Eigenschaften eines Forschers und Künstlers in einer Person vereint. Früher war dies jedoch eher die Regel als die Ausnahme, wie berühmte Persönlichkeiten beweisen, zum Beispiel Alexander von Humboldt oder Maria Sibylla Merian.
Foto oder Illustration?
Digitale Fotografien liefern heute mit ihren immer ausgefeilteren Techniken hervorragende Handwerkszeuge, mit denen sich Naturszenen, Tiere und Pflanzen festhalten und brillant wiedergeben lassen. Sie fordern oft nur noch einen «Blick für das Objekt». Künstlerische Fähigkeiten werden kaum mehr gebraucht. Aber häufig ragt ein störendes Objekt in den Bildausschnitt, ein Blatt ist beschädigt oder ein Tier nur aus einem ungünstigen Winkel zu sehen. Viele Fotografen nutzen deshalb Bildbearbeitungsprogramme und «basteln» damit unverstellte Landschaften und eine schöne Natur. Doch spätestens wenn Abfolgen oder Lebenszyklen abgebildet werden sollen, sind die Grenzen dessen erreicht, was eine einzige Fotografie wiedergeben kann.
- Illustration eines Lebenszyklus (Skizze)
- Illustration eines Lebenszyklus (Aquarell)
Für mich soll eine Fotografie ausschließlich die Situation wiedergeben, in der sich die Pflanze und das Tier am Ort der Aufnahme befanden. Deshalb spiele ich höchstens mit der Blende oder der Ausleuchtung der Objekte, bearbeite die Fotos jedoch nicht am Computer.
Für die «heile Welt», die Wiedergabe einer arttypischen Pflanze oder eines Tieres oder einer bestimmten Szene greife ich auf die vielfältigen Möglichkeiten der Illustration zurück. Dabei trifft aus meiner Sicht das klassische Aquarell den Charakter biologischer Objekte am Besten – neben Tusche-Federzeichnungen in der «Schraffur- oder Pünkteltechnik» oder den wunderschönen Kupferstichen und Lithografien des 18. und 19. Jahrhunderts. Moderne Computergrafiken oder die Airbrush-Technik missen die naturgetreue und lebendige Wiedergabe dieser altmeisterlichen Techniken und wirken auf mich häufig «flach».
Tricks gegen die Tücken der biologischen Illustration
Als biologischer Sachbuch-Illustrator muss ich nicht nur mein Handwerk beherrschen, sondern mich auch im Fachgebiet gut auskennen. Nur so kann ich die Details eines Lebewesens nach aktuellen Erkenntnissen deuten und bei Recherchen im Internet oder in Fachbüchern Fehler entlarven, um sie in meinen Darstellungen möglichst zu vermeiden. Fehler lauern an allen Ecken und Enden – selbst in der Natur muss ich als Zeichner einschätzen, wann ein Merkmal untypisch ausgestaltet ist oder sich eine Krankheit oder sonst eine Laune der Natur zeigt. Nicht selten sammle ich zehn Blätter und male erst daraus das «ideale Blatt». Zusammen mit «idealen Früchten», die an einem «idealen Zweig» sitzen, sind so in einer einzigen Zeichnung alle Merkmale eines Baumes typisch zu erkennen. In diesen Möglichkeiten ist die Illustration der (digital unbearbeiteten) Fotografie immer noch weit überlegen. Zudem kann ich bei einer Illustration alle Bereiche «scharf» darstellen, was mit einer Makrofotografie nur mit großem Aufwand möglich ist. Einen weiteren Pluspunkt verzeichnen Illustrationen gegenüber Fotografien: Ich kann in einer Abbildung farbige und SW-Bereiche einfach kombinieren, um Wichtiges hervorzuheben.
Vom Entwurf zur fertigen Illustration
Sehr authentische Illustrationen entstehen, wenn ich Pflanzen, Pilze und Tiere draußen in der Natur beobachte und direkt skizziere. Sofern dies nicht möglich ist, gestalte ich meine Werke im Atelier anhand von gesammelten Blättern, Blüten, Fruchtkörpern und lebenden Krabbeltieren. Bewaffnet mit Lupe, Binokular oder gar Mikroskop erreiche ich so eine optimale Detailtreue, Plastizität und Lebendigkeit des Objektes mit korrekten Farben und Schattenwürfen. Generell male ich nur bei Tageslicht. Bis zu ihrem Einsatz als Vorlagen lege ich die Objekte meist in den Kühlschrank und bringe sie, soweit möglich, nachher wieder in die Natur zurück.
Jedes Motiv skizziere ich zuerst mit Blei- oder Tuschestift und deute teilweise bereits Schattenwürfe an. Hierbei achte ich in der Regel darauf, dass die Größenverhältnisse der Organismen zueinander gewahrt bleiben. Einen solchen Entwurf muss ich in Absprache mit dem Auftraggeber immer wieder abändern und überarbeiten. Bei «Bäume und ihre Bewohner» wie auch bei «Blumen und ihre Bewohner» hatte ich hierbei den Vorteil, dass ich die Autorin vor vielen Jahren geheiratet habe und somit praktisch über den Esstisch hinweg mit den notwendigen Anmerkungen versorgt wurde. Mein «Dienstweg» war also extrem kurz, wenn es um die Abnahme von Vorskizzen ging.
Fertige Skizzen zeichne ich am Lichtpult mit dünnen Bleistiftstrichen auf mein Malpapier durch. Für ein Aquarell lege ich nun viele Farbschichten von hell nach dunkel übereinander. Das Mischen der Farben entsteht dabei erst auf dem Papier – nicht im Farbtopf oder auf der Palette. Weiße Partien male ich nie: Es gibt kein leuchtenderes Weiß, als das des Papiers selbst! Vor Beginn der Illustration muss ich mir also alle Details und Lichtreflexe genau vorstellen und bei der Ausführung berücksichtigen. Dünne und sehr dünne Pinsel der Größen 00000 bis 2 und relativ wenig Wasser gehören bei meiner Art der Aquarelltechnik zur Standardausrüstung.
Die Abfolge der Zeichnungen des Schwarzgesäumten Besenginsterspanners zeigt die einzelnen Arbeitsschritte für ein Aquarell.
Bei einer Tuschezeichnung nach der «Pünkteltechnik» legt die Dichte der Einzelpunkte die Tiefe der Grautöne und somit die Räumlichkeit des Motivs fest. Mir hilft dabei ein feuriger Flamenco im Hintergrund, die Punkte gleichmäßig zu setzen!
Foto und Illustration!
Nachdem ich für «Blumen und ihre Bewohner» und «Bäumen und ihre Bewohner» auch die meisten Fotos zusammen mit meiner Frau geschossen habe, war es einfach, die Vorteile beider Darstellungsarten zu nutzen. Oft haben wir für einen Sachverhalt auch Illustrationen und Fotos kombiniert. So habe ich bei den Eichengallwespen die oft sehr kleinen und damit in der Natur leicht zu übersehenden Gallen der sexuellen Generationen als Zeichnungen angelegt. Die meist größeren und auffälligeren Gallen der eingeschlechtlichen Generationen sind direkt daneben in Fotos abgebildet. So lassen sich beide gut erkennen und unterscheiden.
Oft hat der Grafiker die Illustrationen sogar so geschickt in Fotos integriert, dass sich beide zu einer vollkommenen Einheit ergänzen.
Das Autorenpaar Margot und Roland Spohn, beide Biologen, verbringen viel Zeit in der Natur und geben ihr gemeinsames Wissen in ihren Bücher weiter.