Ein Feuer im Ozean Zwei Tote lagen schwarz im Januar Brasiliens. Ein Feuer, das seit Tagen durch die Wildnis einer Insel sprang und verkohlte Schneisen hinterließ, hatte die Leichen von einem Gewirr blühender Lianen befreit und ihnen auch die Kleider von ihren Wunden gebrannt: Es waren zwei Männer im Schatten eines Felsüberhanges. Sie lagen wenige Meter voneinander entfernt in menschenunmöglicher Verrenkung zwischen Famstrünken. Ein rotes Seil, das die beiden miteinander verband, verschmorte in der Glut. Das Feuer loderte über die Toten hinweg, löschte ihre Augen und Gesichtszüge, entfernte sich prasselnd, kehrte im Sog der eigenen Hitze noch einmal wieder und tanzte auf den zerfallenden Gestalten, bis ein Wolkenbruch die Flammen in die eisengraue Asche gestürzter Quaresmeirabäume zurücktrieb und schließlich alle Glut in das feuchte Herz der Stämme zwang. Dort erlosch der Brand. So blieb ein dritter Leichnam von der Einäscherung verschont. Weitab von den Überresten der Männer lag eine Frau unter Luftwurzeln und schaukelnden Trieben. Ihr schmaler Körper war von Schnabelhieben zerhackt, ein Fraß schöner Vögel, war zernagt, ein Labyrinth der Käfer, Larven und Fliegen, die diese große Nahrung umkrochen, umschwirrten, umkämpften: ein Flor aus seidig glänzenden Flügeln und Panzern; ein Fest.
Autor: | Ransmayr, Christoph |
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ISBN: | 9783100629081 |
Sprache: | Deutsch |
Produktart: | Gebunden |
Verlag: | Fischer S. |
Veröffentlicht: | 01.09.1995 |
Untertitel: | Roman |
Schlagworte: | Alternativweltgeschichte Ambras Augenleiden Bering Brasilianerin Brasilien Dystopie Dystopische und utopische Literatur Hundekönig Krieg Lily Moor Nachkriegswelt Nagoya Nervenkitzeln Roman Schreier von Moor Sühne Vergeltung Wiederaufbau anspruchsvolle Literatur Österreich Österreichische SchriftstellerInnen; Werke (div.) |
Christoph Ransmayr wurde 1954 in Wels/Oberösterreich geboren und lebt nach Jahren in Irland und auf Reisen wieder in Wien. Neben seinen Romanen 'Die Schrecken des Eises und der Finsternis', 'Die letzte Welt', 'Morbus Kitahara', 'Der fliegende Berg', 'Cox oder Der Lauf der Zeit', 'Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten' und dem 'Atlas eines ängstlichen Mannes' erscheinen Spielformen des Erzählens, darunter 'Damen & Herren unter Wasser', 'Geständnisse eines Touristen', 'Der Wolfsjäger' (gemeinsam mit Martin Pollack) und 'Arznei gegen die Sterblichkeit'. 2022 erschien die Sammlung von Gedichten und Balladen 'Unter einem Zuckerhimmel' (illustriert von Anselm Kiefer), 2024 der Erzählband 'Als ich noch unsterblich war' sowie der Band 'Egal wohin, Baby' mit Fotografien des Autors. Zum Werk Christoph Ransmayrs erschien der Band 'Bericht am Feuer'. Für seine Bücher, die in mehr als dreißig Sprachen übersetzt wurden, erhielt er zahlreiche literarische Auszeichnungen, unter anderem die nach Friedrich Hölderlin, Franz Kafka, Bertolt Brecht und Heinrich von Kleist benannten Literaturpreise, den Premio Mondello und, gemeinsam mit Salman Rushdie, den Prix Aristeion der Europäischen Union, den Prix du meilleur livre étranger und den Prix Jean Monnet de Littérature Européenne, zuletzt im Jahr 2023 den südkoreanischen Park-Kyung-ni-Preis. Literaturpreise: Anton-Wildgans Preis der österreichischen Industrie (1989), Großer Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste (1992), Franz-Kafka-Preis (1995), Franz-Nabl-Preis der Stadt Graz (1996), Aristeion-Preis der Europäischen Union (1996, gemeinsam mit Salman Rushdie), Solothurner Literaturpreis (1997), Premio Letterario Internazionale Mondello (1997), Landeskulturpreis für Literatur des Bundeslandes Oberösterreich (1997), Friedrich Hölderlin Preis der Stadt Bad Homburg (1998), Nestroy-Preis (Bestes Stück - Autorenpreis) für 'Die Unsichtbare' (2001), Bertolt-Brecht-Literaturpreis der Stadt Augsburg (2004), Heinrich-Böll-Preis (2007), Premio Itas (2009), Premio La voce dei lettori (2009), Premio Gambrinus (2010), Ernst-Toller-Preis (2013), Brüder-Grimm-Preis der Stadt Hanau (2013), Franz-Josef-Altenburg-Preis (2014), Donauland Sachbuchpreis (2014), Fontane-Preis für Literatur (2014), Prix Jean Monnet de Littératures Européennes (2015), Prix du Meilleur livre étranger (2015), Marieluise-Fleißer-Preis (2017), Würth-Preis für Europäische Literatur (2018), Kleist-Preis (2018), Nominierung für den Man Booker International Prize (2018), Ehrenpreis des Bayerischen Ministerpräsidenten (2018), Ludwig-Börne-Preis (2020), Premio Navicella d'Oro der Società Geografica Italiana (2023), Park-Kyung-ni-Literaturpreis (2023)