Lebewohl, Anatolien
Manolis Axiotis ist ein junger Mann, patent, ehrlich und direkt. Er ist Christ und Grieche, aber Türkisch ist seine zweite Muttersprache, sein bester Freund ein Türke. Als ihn sein Vater nach Izmir schickt, um bei einem griechischen Händler in die Lehre zu gehen, wird ihm klar, dass es Betrüger oder ehrliche Menschen gibt, unabhängig davon, ob sie Christen oder Moslems sind. Doch die Zeitumstände sind ungünstig: Der Erste Weltkrieg kommt, das Osmanische Reich zerfällt, in Kleinasien soll ein türkischer Nationalstaat entstehen. Alle Nicht-Moslems, wie Manolis und seine Brüder, werden eingezogen, aber nicht an die Front, sondern in Arbeitslager geschickt. Manolis erlebt Szenen der Brutalität an Griechen und Armeniern, unterbrochen von Momenten der Menschlichkeit. Marodierende Deserteure und rachsüchtige Bauern gibt es ebenso wie pflichtbewusste Ärzte und liebenswürdige Großgrundbesitzer. Als nach dem Ende des Weltkrieges die griechische Armee in Kleinasien einmarschiert, wiederholen sich die Szenen der Gewalt und Unterdrückung, nur diesmal umgekehrt … Der in Griechenland und der Türkei beliebte und mehrfach preisgekrönte Roman von Dido Sotiriou, einer osmanischen Griechin aus Anatolien, analysiert eine pathologische Entwicklung der Geschichte: Wie kommt es in einer multiethnischen und multireligiösen Gesellschaft zu ethnischen und religiösen Säuberungen? Wie leicht ist der Übergang von Zivilisation zu Barbarei? Nach der Lektüre der zahlreichen Szenen – Lebensstationen eines osmanischen Griechen -, weiß man: Ob in Kleinasien, auf dem Balkan, im Nahen Osten oder anderswo, die Mechanismen bleiben die gleichen.
Autor: | Sotiriou, Dido |
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ISBN: | 9783946142119 |
Sprache: | Deutsch |
Seitenzahl: | 350 |
Produktart: | Buch |
Verlag: | Edition Romiosini |
Veröffentlicht: | 20.04.2016 |
Untertitel: | Edition Romiosini/Belletristik |
Schlagworte: | Antikriegsliteratur Edition Romiosini Erster Weltkrieg Geschichte Griechenland Griechische Literatur Kleinasien Migration Osmanisches Reich Vertreibung |
Dido Sotiriou wurde in Aydin geboren und wuchs in Izmir auf. Nach der „Kleinasiatischen Katastrophe“ bzw. der Vertreibung der Griechen aus Kleinasien 1922 ließ sie sich zunächst in Piräus nieder und kurz darauf in Athen. Sie besuchte Vorlesungen über französische Literatur am Institut Français in Athen und später an der Sorbonne. Als Mitglied der Kommunistischen Partei Griechenlands war sie in linken Frauenorganisationen aktiv, während der Besatzungszeit arbeitete sie für die Widerstandspresse, kurz nach der Befreiung als Chefredakteurin der kommunistischen Tageszeitung „ Rizospastis“. Während des Bürgerkriegs wurde sie aus der Partei ausgeschlossen, setzte jedoch ihre journalistische Arbeit in Blättern des breiteren linken Spektrums fort. Sie war Gründungsmitglied des Komitees für Griechisch-Türkische Freundschaft. In Dido Sotirious erstem Buch, dem Roman Die Toten warten (?? ?e???? pe??µ?????, 1959), berichtet eine aus Kleinasien geflüchtete Frau von ihren Erlebnissen in der Zeit vom Ende des Ersten bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, was den Erfahrungen vieler Griechen entspricht, wobei der Kleinasiatischen Katastrophe besonderes Gewicht zukommt. In stark emotionalem Ton und voller Zorn versucht sie auf die Verantwortung hinzuweisen, die der griechischen Regierung und ausländischen Mächten für das Unglück des griechischen Volkes in dieser Zeit zukommen. Ihr nächster Roman Lebewohl, Anatolien (Originaltitel: ?at?µ??a ??µata, Blutgetränkte Erde, 1962) befasst sich mit der gleichen Thematik, jedoch auf eine wesentlich reifere Art. Die Autorin beschränkt ihre Erzählung auf die Kleinasiatische Tragödie und deren Voraussetzungen und beschreibt die Ereignisse aus der Sicht der einfachen Leute, mit großem Verständnis für beide Seiten des Konflikts und mit einer bemerkenswerten Fähigkeit, sich in die jeweiligen Personen hineinzudenken. Der Roman verzeichnete nicht nur in Griechenland einen außerordentlichen Erfolg (er ist eines der meistgelesenen Werke der neugriechischen Literatur) sondern auch in der Türkei, wo er in Übersetzung erschien. Er wurde in zahlreiche europäische Sprachen übersetzt. Später fügte Dido Sotiriou ihrem Werk die ebenfalls beliebten Romane Das Gebot (? e?t???, 1976, 1992 auf Deutsch im Romiosini Verlag, Köln, erschienen) und Wir werden dem Erdboden gleichgemacht (?atedaf???µe?a, 1982) hinzu, die vom Schicksal der griechischen Linken in den finsteren Jahren nach dem Bürgerkrieg angeregt wurden. Dido Sotiriou, eine der bekanntesten und erfolgreichsten griechischen Schriftstellerinnen, nähert sich ihren Themen auf eine Art, die ihre politischen Ideen direkt widerspiegelt und von einer emotionalen Intensität ist, die manchmal zur Vereinfachung neigt. Aber ihr wichtigstes Buch, Lebewohl, Anatolien, ist zweifellos ein tief humanes Werk.