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Herzlich Willkommen!
Was veranlasst uns, nachdem das Ziel der Verlegung von Stolpersteinen in unserer Stadt erreicht ist, dazu, eine Gedenkstättenfahrt nach Auschwitz zu unternehmen? Und das mit der Zielgruppe Jugendliche im Alter von 15 bis 16 Jahren? Es ist mehr, als das Erreichen der in unseren Vereinsstatuten festgelegten Ziele. Wir möchten die Schicksale der wehrlosen Opfer unserer Stadt verfolgen, die zum größten Teil zunächst am 22. Oktober 1940 in das Internierungslager Gurs (Südwestfrankreich) abgeschoben wurden, um unsere Stadt ‚judenfrei‘ zu machen. Der erste Schritt zur ‚Endlösung der Juden‘, in der fast alle jüdischen Villinger und Villingerinnen schließlich nach Auschwitz deportiert werden. Die Verknüpfung ihrer Schicksale mit diesem unseligen Ort war eine der Aufgaben für die Jugendlichen in der Vor- und Nachbereitung unserer Fahrt. So ziehen sich durch diese Broschüre wie ein roter Faden die Ereignisse in Auschwitz bezogen auf die Menschen unserer Stadt. Dabei hat insbesondere das »Kalendarium der Ereignisse im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau 1939 – 1945« von Danuta Czech in der teils mühsamen Recherchenarbeit die zentrale Rolle gespielt. Unvergessen die Freude in den Gesichtern unserer Jugendlichen, als sie im Block 23 des Stammlagers (Dauerausstellung zu Shoah) in einem riesigen Hängeordner mit über 4 Millionen Namen die Namen ‚unserer‘ Opfer wiederfinden: Der Kreis von Villingen über Gurs nach Auschwitz schließt sich. Zitate aus diesem Kalendarium wechseln sich mit unseren wechselnden Eindrücken während der Fahrt ab. Auschwitz ist kein gewöhnliches Konzentrationslager; davon gab es im Großdeutschen Reich etwa 20 (mit damit verbundenen unzähligen Nebenlagern). Auschwitz wurde schließlich das größte Vernichtungslager und übertraf deutlich eine Gruppe kleinerer Lager wie Belzec, Majdanek, Sobibor und Treblinka. Ein Beamter des englischen Außenministeriums schrieb in einem kurzen Aktenvermerk noch vor Kriegsende, dass Auschwitz anscheinend das schlimmste aller dieser Lager sei. Das ist eine Information aus zweiter Hand. Aber diejenigen, die Auschwitz möglich gemacht hatten, waren derselben Meinung. Der Mediziner prof. Prof. Paul Kramer, ein SSFreiwilliger und begeisterter Nazi, der als Endfünfziger nach Auschwitz kam, um dort medizinische versuche durchzuführen, schrieb in seinem Tagebuch am 5. September 1942 (er hatte gerade einer »Sonderaktion« beigewohnt), dass er seinem Kollegen Dr. Heinz Thilo, SS-Obersturmführer beipflichten könnte, dass sie sich am Anus mundi, dem Arsch der Welt befänden. Bei der »Sonderaktion« handelte es sich um die Vergasung einer Gruppe von völlig ausgemergelten Frauen, sogenannten »Muselmännern«, die sich im Freien ausziehen mussten, bevor man sie in die Gaskammern trieb. Muss der, der die Wahrheit über Auschwitz wissen will, dorthin reisen?Es gibt zweifellos mehr als genug Beweismaterial, u.a. von Zeugen, die über jeden Zweifel erhaben sind. Nur ist die Wahrheit, gerade am Ort des Geschehens, schockierend, ja schrecklich. Und es liegt nun einmal in der menschlichen Natur, Nachrichten dieser Art nicht zu akzeptieren, doch der Ort spricht für sich. Selbst wenn die Informationen stimmen, die Eindrücke überwältigend sind, argumentiert man gern, hätte der Einzelne doch nichts dagegen unternehmen können, nicht im Krieg, denn da gibt es den Befehlsnotstand; und erst recht nicht nach dem Krieg, denn die Juden und die anderen Opfer seien nun einmal tot. Niemanden sei damit geholfen, wenn man diese fürchterlichen Geschichten endlos wiederhole und breittreten würde. Was soll da ein Besuch bewirken? Und Ist das so? Oder kann man aus der Geschichte lernen? Und wenn Ja, was lernt man daraus? Fragen über Fragen, die auch heute noch keine endgültigen Antworten erhalten haben, uns aber erneut von den Jugendlichen gestellt werden. Wie sich darauf vorbereiten? Auch davon erzählt diese Broschüre. Wir beginnen damit im Kapitel 2. Danuta Czech , die ehemalige Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung der Gedenkstätte Auschwitz, hat in jahrzehntelanger Arbeit aus den überlieferten Quellen, aus Akten und Dokumenten, aus Berichten der Widerstandsbewegung im Lager, und aus späteren Zeugenaussagen und Forschungsergebnissen die Geschichte des Lagers, die seiner Täter und Opfer, rekonstruiert und in einer bedrückenden Chronologie der Vernichtung und des Leidens über fast fünf Jahre hinweg dargestellt. Ihre Arbeit diente uns als der oben bereits erwähnte rote Faden in der Wiedergabe nicht nur der Ereignisse unserer eigenen Gedenkstättenfahrt, sondern auch richtungsweisend für die Schicksale der Menschen aus unserer Stadt, deren Leben damals gewaltsam in Auschwitz ein Ende gesetzt wurde. Kein Todesschrei klingt zu uns, weder aus der »Kanzleisprache« der Akten, noch beim Besuch der Gedenkstätte. Kein Verwesungsgeruch bleibt übrig. In diesen Berichten des Kalendariums wie bei unseren mitgenommenen Eindrücken steht alles und nichts über das Inferno – es sei denn, der Leser legt von Zeit zu Zeit eine Pause ein, und fragt sich, was diese Dokumente, diese Schilderungen der Vorgänge eigentlich bedeuten. Wer das tut, wird wahrscheinlich die Lektüre der Broschüre unterbrechen müssen. Es kann nicht gelesen werden wie ein gewöhnliches, anderes Büchlein.
ISBN: 9783788318444
Auflage: 1
Sprache: Deutsch
Seitenzahl: 44
Produktart: Kartoniert / Broschiert
Herausgeber: Pro Stolpersteine Villingen-Schwenningen e. V.
Verlag: Neckar-Verlag GmbH
Veröffentlicht: 19.09.2023
Untertitel: 10. bis 15. November 2022
Schlagworte: Holocaust Mahnwachen St. Ursula Stolperstein