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Herzlich Willkommen!
Ich war 22 Jahre alt, als man mich zu der Reise ?berredete.Ich lief in dem Glauben herum, alles sei in Ordnung, die Welt h?nge irgendwie logisch zusammen und die Menschen sagten die Wahrheit. Doch pl?tzlich war alles wie auf den Kopf gestellt. Ich blickte durch den Spalt einer T?r und sah, wie jemand, den ich kannte, in einen anderen verwandelt wurde. Es war unangenehm, und ich w?nschte mir, es w?re ein Alptraum. Ich fragte mich, ob ich es sei, mit dem etwas nicht stimmte, mein Kopf, oder ob ich ein Problem mit den Augen h?tte.Es war Fr?hsommer, und Mutter und Vater wollten mich mit auf eine Schiffsreise nach D?nemark nehmen. Ich hatte keine Lust. Es gab anderes zu tun. Aber Mutter gab nicht nach. ?Bitte komm doch mit?, bettelte sie. ?Es w?re so sch?n, dich dabeizuhaben. Er hat gesagt, da? ihn das sehr freuen w?rde.? Das war eine ?bertreibung. Vater h?tte so etwas nie gesagt. So dr?ckte er sich nicht aus. Er war als Mensch in Ordnung, ein Kumpel, ein guter Vater, wie man so sagt, doch so etwas h?tte er nie gesagt. Er war kein Mensch, der um etwas bat. Mutter legte den Kopf zur Seite. ?Wenn sein Vertrag zustande kommt, wollen wir am Samstag feiern. Wir k?nnen machen, was du willst.?Ich lie? mich ?berreden, und ein paar Tage sp?ter stand ich gemeinsam mit Mutter und Vater an Deck. Der Sonnenuntergang war glitzernd, unwirklich. Es war lange her, da? ich zuletzt mit meinen Eltern an Bord eines Schiffes gestanden und in die Sonne gestarrt hatte.Die Videokamera lag leicht in der Hand, ein Hauch von einem Apparat. Durch die Linse sah ich ihre Hinterk?pfe, Haare und Nacken und den Rand eines Ohres. Sie standen da und schauten in die Ferne. Unter ihnen lag das Meer und die Sonne, die in der schwarzen Farbe versank. Das Deck bewegte sich unter ihren F??en. Ich trat einen Schritt n?her, und der Hintergrund kam zwischen ihren K?pfen zum Vorschein, eine leuchtende Postkarte.?Bewegt euch nicht?, sagte ich.Sie standen still. Mutter und Vater. Sie hatten die Arme umeinander gelegt. Mutters Schulter schmiegte sich in seine Achselh?hle, und ich bekam den Eindruck, da? ihnen diese Haltung vertraut war, da? sie oft so gestanden hatten, an einem Gel?nder aneinandergelehnt, in Oslo, Paris, auf einer Ferieninsel in der D?mmerung, oder w?hrend eines Festes auf einer Terrasse. Aneinandergelehnt, w?hrend die Musik irgendwo drinnen aus den Lautsprechern dr?hnte.Sie standen da und sahen ?ber das Meer.Die Wellen. Die Wolken. Das Licht bei Sonnenuntergang.Sie standen auf vertraute Weise zusammen. Es strahlte Sicherheit aus, wie sie sich aneinanderschmiegten und sogleich die richtige Position fanden. Es wirkte so nat?rlich.Sie blickten ?ber das Meer, das wie eine Postkarte aussah und hatten sich damit abgefunden, da? sie gefilmt wurden. Vater mochte das nicht, das wu?te ich, und ich zog ihn gerne wegen seiner Kameraphobie auf. Doch jetzt hatte er sich damit abgefunden, vielleicht gefiel es ihm sogar. Dann wurde mir bewu?t, da? er mir ja den R?cken zudrehte. Es ist etwas anderes, gefilmt zu werden, wenn man mit dem R?cken zur Kamera steht. Nat?rlich ist das etwas anderes.Trotzdem wollte ich das filmen. Wie sie sich aneinanderschmiegten. Die Arme, die Hinterk?pfe.Die Ruhe.Die Sonne: dunkelrot.Das Meer strahlte voller roter Flecken und st?hlerner Streifen. Langsam versank die Sonne am Horizont, und das Bild wurde ?berwuchert und verlor die Konturen, ein dunkles Viereck. Nur noch das Meer blieb ?brig, eine sch?ne, weite Ebene aus Wasser (wie in einem Naturfilm ?ber Ozeane).Einmal hatte ich die Phantasie, da? es unter der Wasseroberfl?che eine Welt ohne Laute g?be. Ehe die Menschen so wurden, wie sie heute sind, war alles still. Wir waren stumme Fische mit intelligenten Augen, und unsere K?rper waren ?bers?t mit winzigen L?chern, durch die wir atmeten. Wir schwammen unter Wasser herum und fra?en uns gegenseitig auf. Das war ein faszinierender Gedanke, fand ich, doch ich habe nie dar?ber geredet. (Warum eigentlich nicht?)Ich nahm die Kamera vom Auge. Packte sie in die Tasche.Ich ging zu ihnen und stellte mich neben sie. Vater l?chelte.?Waren wir gut??Fast sch?chtern fragte er das, dabei sollte es doch ein Spa? sein.Pl?tzlich wu?te ich nicht, was ich sagen sollte, als h?tte er etwas ?berraschendes von sich gegeben, etwas, das ich nicht erwartet hatte, so da? ich nicht mehr sicher war, was ich antworten sollte. Ich nickte und lachte, aufgesetzt.Vater t?tschelte meinen Arm.Mutter redete f?r gew?hnlich st?ndig, sie plapperte immer vor sich hin, doch jetzt waren wir still. Wir standen da und starrten in die Dunkelheit, bewegten uns nicht, sagten nichts. Irgendwann einmal werden wir an diesen Moment denken, in dem wir schweigend dieses Abziehbild von einem Sonnenuntergang betrachteten. Das war ein sch?ner Gedanke. Vielleicht war das einer der besten Momente, die wir zusammen hatten, denke ich, aber ich wei? nicht ?Als ich zu schreiben begann, hatte ich mich entschlossen, nicht zu viele Worte zu machen. Ich wollte nicht mehr als das N?tigste sagen. Gerade so viel, da? es Sinn machte. Nicht mehr. Nicht mehr als das N?tigste. Es mu?te reichen, dachte ich, zu schreiben, was wirklich geschehen war. Doch schon jetzt habe ich begonnen, etwas anderes zu schreiben. Etwas anderes, als ich gedacht hatte. Ich sollte das nicht tun.Ich stehe fr?h am Morgen auf, um zu schreiben. Schon nach wenigen Monaten hier in Kopenhagen habe ich begonnen, fr?h wach zu werden. Es ist still im Schlafzimmer, auf der Stra?e drau?en. Ich liege da und denke nach. Ich kann es nicht ertragen, dazuliegen und auf die Ger?usche des Schlafes von anderen zu lauschen, das ist der Grund, warum ich aufstehe und mich zum Schreiben ins Wohnzimmer setze. Diese Laute erinnern mich an etwas. Ich bin mir nicht sicher, an was sie mich erinnern, und ich halte es nicht aus, dar?ber nachzudenken. Ich stehe auf und gehe ins Wohnzimmer. Setze mich an den Schreibtisch. In einem solchen Moment, in dem ich nichts zu tun hatte, kam ich auf die Idee, etwas zu schreiben. Etwas auf ein blankes Blatt Papier zu schreiben, den Computerbildschirm mit Zeichen zu f?llen. Das war ganz zuf?llig, ich hatte keinen Plan, und alles ist so niedergeschrieben, wie es mir in den Sinn kam.Es sind die Laute des Schlafes anderer Menschen, die mich zum Schreiben gebracht haben. Ich frage mich, warum mich die Schlafger?usche anderer Menschen so beunruhigen, warum eine schlafende Stadt so eine Qu?lerei f?r mich ist. Ich schreibe es mir von der Seele, und wenn der Rest der Welt erwacht, habe ich wieder bessere Laune.Ich wei? nicht, wie das weitergehen soll. Bin mir nicht sicher, ob es ?berhaupt jemals mehr als diese Seiten geben wird. Vielleicht sollte ich jetzt aufh?ren, es aufgeben, vielleicht gew?hne ich mich ja an die Laute des friedlichen Schlafes drinnen im Schafzimmer.Ich bleibe stehen und blicke in ein erleuchtetes Zimmer auf der anderen Seite der Stra?e. In dieser Wohnung ist immer Licht. Ich sehe in eine K?che. Auf dem K?chentisch steht eine Kaffeetasse, eine halb gerauchte Zigarette liegt auf einer Untertasse. Ein K?chenstuhl lehnt schr?g an der Wand, und ich stehe da und denke an den Stuhl, frage mich, warum ihn jemand so an die Wand gelehnt und nicht wieder zur?ckgestellt hat. Die Neugier w?chst sich zu einer Art Wahn aus, und ich denke, da? dort drinnen etwas geschehen sein mu?, sie haben einen Anruf bekommen, eine wichtige Nachricht, eine ?u?erst wichtige Nachricht, und da? sie deshalb die Wohnung Hals ?ber Kopf verlassen haben, an den Stuhl gesto?en sind und keine Zeit mehr gehabt haben, ihn wieder zur?ckzustellen. Sie m?ssen hinaus, so schnell es nur geht, sie haben keine Zeit zu verlieren, sie st?rzen die Treppe hinunter auf die Stra?e, winken nach einem Taxi ?Ich zwinge meinen Blick zur?ck auf den Bildschirm. Das tut dir nicht gut, murmele ich. Es tut dir nicht gut, so dazusitzen und an andere Zimmer, andere Orte, andere Geschichten zu denken. Es ist schon schwierig genug, sich an das zu erinnern, was passiert ist. Es vor sich zu sehen und Worte zu finden, die zumindest ein wenig von dem vermitteln, was geschehen ist und was nicht geschehen ist, vor gar nicht allzu langer Zeit.Mutter und Vater und ich lehnten an der Reling. Nur selten standen wir so nebeneinander, ohne etwas zu sagen.Vielleicht kam die Stimmung an der Reling von der K?lte des Kameraauges? Vielleicht hatten wir das Gef?hl, noch immer gefilmt zu werden?Ich wollte nichts sagen, aber ich dachte: Die Stille kapselt uns ein. Wir standen in einem Kreis, den Kopf inmitten des Ungesagten.Das w?rde nicht lange andauern. Den Zusammenhalt, der in der Stille ist, k?nnen wir nicht allzu lange aushalten. Sp?ter w?rden ihre H?nde einschrumpeln und alt und krank werden. Sein Gesicht w?rde ich nicht wiedererkennen.Das Sonnenlicht erstarb. Die Dunkelheit und das Wasser waren jetzt alles, was wir sahen. Ich lehnte mich ?ber die Reling. Das Wasser gurgelte und sang. Ein ersticktes Johlen drang von unten zu uns empor, dort in der Tiefe wurden die Laute einer stillen Welt abgezwungen.Etwas Gelbes schwappte im Wasser auf und ab. Es sah aus wie eine Regenjacke.?Was ist das da??Ich zeigte auf das gelbe Ding. Mutter und Vater beugten sich vor und starrten nach unten. Der Schiffsrumpf ragte wie eine Mauer aus dem Wasser empor. Wir sahen der Regenjacke einige Minuten lang nach. Sie wurde von den Str?mungen hin und her gewirbelt und an die Seite des Schiffes geworfen.Dann war sie verschwunden.Die Wellen wiegten die F?hre langsam von Seite zu Seite. Das Deck bewegte sich unter unseren F??en, und einen Augenblick lang dachte ich, da? alles auf den Kopf gedreht w?rde, wenn die Bewegungen nicht innehielten. Die Haare w?rden in alle Richtungen abstehen, und aus den Taschen w?rde es M?nzen regnen. Das brachte mich dazu, an die Entwicklung der Bilder aus Vaters alter Polaroidkamera zu denken. Langsam ver?nderte sich die Welt.Wir standen an Deck. Auf der DFDS-F?hre nach Kopenhagen. Dem Schiff nach D?nemark.Und langsam ver?nderte sich die Welt.Vater rauchte eine Zigarette und blies den Qualm ?ber die Reling. Rauchen war mit das Beste, das er sich vorstellen konnte. Er rauchte auf eine sorgsame Art und Weise. Seine Lippen legten sich dicht um den Filter, fast sah es aus, als hielte er das Rauchen f?r bedeutsam. Aber ich glaube nicht, da? das so war. Ich glaube, er stand da und dachte an etwas anderes.Der Wind lag salzig auf den Lippen.Ein Junge kam ?ber das Deck auf uns zu. Er blieb stehen, legte den Kopf in den Nacken und schlo? die Augen, als wolle er das Gewicht der Dunkelheit auf seiner Stirn sp?ren oder als warte er darauf, da? ein blinkendes Flugzeug am Himmel zum Vorschein k?me.Er war f?nfzehn oder sechzehn Jahre alt und hatte in der Kabine vielleicht zu viel Bier getrunken.Ich habe versucht, mich daran zu erinnern, ?ber was wir sprachen, als sich der Junge nach hinten lehnte.Aber ich wei? es wirklich nicht mehr.Der Laut kam ?berraschend, und wir schnellten herum.Der Junge stand an der Au?enseite der Reling, er hatte die Arme nach hinten gestreckt, w?hrend Gesicht und Oberk?rper schon in der Luft hingen, auf dem Weg nach unten, ins Wasser. Die schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht. Der Junge ?ffnete den Mund, da h?rte ich den Laut erneut.Der Ruf schallte ?ber das Meer.?Mi a spetti??Die Passagiere an Deck drehten sich um. Entlang der Reling standen drei oder vier Gr?ppchen von Menschen, die sich gegenseitig fotografierten, rauchten oder ?ber das Meer schauten. Jetzt drehten sie sich wie auf Kommando um und starrten den Jungen an. Der Ruf stemmte sich gegen die leicht ironische Haltung, die die Passagiere eingenommen hatten, mit m?dem Schulterzucken und hektischem Lachen. Sie waren schwerelos, unbek?mmert. Jetzt starrten sie, und die Gesichter waren mit einem Mal aus der unfreiwilligen Mimik herausgel?st, die alle Touristengesichter kennzeichnet.Das T-Shirt straffte sich vor seiner Brust. Erst jetzt bemerkte ich, da? er keine Jacke trug, obwohl es k?hl war.Vater ging auf ihn zu.Der Junge bemerkte uns erst, als Vater die Hand auf seinen Arm legte. Er reckte sich von der Reling weg. Rief die italienischen Worte. Dann wurde er unterbrochen. Er ri? die Augen auf und starrte, immer wieder mit den Lidern schlagend.Sein Gesicht hatte etwas Aufgesetztes, eine k?nstliche Panik. Ich sah nichts von der primitiven Angst, die ich bei einem Selbstmordversuch erwarten w?rde. Ein Piepsen kam aus seinem Mund, ein Laut wie aus einem alten Anrufbeantworter.Manchmal wirken Menschen, die sehr gl?cklich oder sehr ?ngstlich sind, mechanisch wie Schlafwandler. Das habe ich oft gesehen. Sie heulen oder weinen vor Freude, doch das ber?hrt mich nicht. Gro?e Gef?hle wirken k?nstlich. Das sieht nicht nat?rlich aus, und es gelingt mir nicht, mich mitzufreuen oder Mitleid zu haben. Es gibt nur einen Grund, warum Menschen sich derart l?cherlich auff?hren: Sie suchen die Aufmerksamkeit und machen sich wichtig. Mutter sagte oft, ich sei ein Zyniker. Doch sie l?chelte, wenn sie das sagte, als ob das ein raffiniertes Kompliment sei.Ich betrachtete den heulenden Jungen, sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.?La? mich los!?Das Haar und die dunklen Augen. Zuerst war ich sicher, er sei Italiener, wegen der Worte, die er rief, der schwarzen Haare und seinen feinen Gesichtsz?gen.?Loslassen!?Jetzt sprach er akzentfreies Norwegisch.Das Heulen verwandelte sich in ein Schluchzen, und er versuchte, sich von Vaters Hand loszurei?en und sich von Deck zu st?rzen.Die Passagiere rannten um uns zusammen, im Hintergrund schrie eine Frau.Vater hielt ihn fest.Ein Bein und ein Arm des Jungen streckten sich ?ber die Kante. Er wedelte herum und trat mit dem Fu? gegen unsichtbare Hindernisse. Dann warf sich der K?rper herum, so da? er die Reling auch mit der anderen Hand zu fassen bekam.Der Junge starrte hinab, und sein Blick sank wie Steine im Wasser nach unten. Das war die reinste Fischsehnsucht. Er wollte zur?ck in eine Welt ohne Laute. Er wollte, da? sein K?rper von winzigen L?cher ?bers?t w?re, so da? er dort unten auf der Jagd nach kleineren Artgenossen herumschwimmen k?nnte. Er wollte schwimmen, schlucken und Eier legen. Er wollte nicht mehr Teil der menschlichen Gesellschaft sein, sondern nach unten gezogen werden, fort von den Wellen und hinein in die lautlose Welt der Tiefseefische.Ich trat einen Schritt n?her heran und stand dicht hinter Vaters R?cken.Der Junge lehnte sich noch weiter hinaus.Sonnenfinsternis am Grunde des Meeres. Etwas zieht dich nach unten. Ein Netz aus Wasser. Es zieht dich direkt nach unten. Du vermagst nicht zu schwimmen. Die Apathie ist eine Erleichterung. Dein ganzer Kopf ist benebelt. Etwas legt sich ?ber dich.Vater hielt ihn fest.Es war wie ein Spiel, das wir spielten, als ich klein war.Wer l??t zuerst los?Papa?Ich?Wer f?llt?Vater umklammerte den Arm des Jungen.Wer l??t zuerst los?Vater?Der Junge?Der Junge?Vater?Der Junge schlo? die Augen. Er schien auszuatmen oder Anlauf zu nehmen. Vater schob sich n?her an ihn heran, pl?tzlich begann er zu reden, und ich h?rte seine Stimme wie ein Fl?stern von irgendwoher an Deck. Die Lippen bewegten sich, doch die Laute schienen von einem anderen Ort zu kommen.?Ich kann verdammt noch mal nicht mehr!?Der Junge drehte sich zu ihm um.?Warum soll ich dich festhalten, wenn du doch lieber springst ????Was? Das Schiff sinkt!?Ich betrachtete Vaters Gesicht, wie er den Jungen musterte, seine Worte untersuchte.?Ich mu? an Land schwimmen.??Wir sinken nicht.??Ich wei?, da? wir sinken. Sieh doch, da sind bereits welche von Bord gesprungen.?Er starrte ins Wasser hinunter.?Das ist blo? eine Regenjacke.??La? mich los, ich wei?, da? wir sinken!??Dann spring doch. Pa? auf, jetzt la? ich dich los!?Vater schrie. Sein Gesicht war von etwas verzerrt, das ich nicht kannte, einer ganz deutlichen Wut.Der Junge schlo? die Augen. Senkte den Kopf. Beugte die Knie.Ich sah seinen K?rper in der Luft vor mir. Einen Augenblick lang verharrte er auf H?he der Reling, ehe er ins Meer hinunter und unter den Rumpf des Schiffes gesogen wurde.Dunkel dort unten. Netz aus Wasser. Die Fische fressen das Licht in seinen Augen. Er wird nach unten gesogen.Der Junge starrte Vater an.?Sinken wir wirklich nicht???Wirklich!??Ich dachte, ich k?nnte das sp?ren.??Wir sinken nicht, garantiert.?Der Junge l?chelte. Es war ein schiefes, schr?ges L?cheln.Als er ?ber die Reling kletterte und sich wieder auf das Deck schwang, begannen wir zu lachen, und dieses Gel?chter breitete sich wie ein Bienenschwarm in unserem K?rper aus.Vater umarmte den Jungen. Der Junge lachte, sein ganzer K?rper vibrierte, und Tr?nen rannen aus seinen Augen.Er dankte Vater zwischen den Lachkr?mpfen. Er umarmte auch mich, und Mutter. Er dr?ckte sie so fest an sich, da? ich dachte, er w?rde alle Knochen in ihrem schm?chtigen K?rper brechen.?Sicher, da? uns keine Gefahr droht??Vater nickte.

Gebunden
Luchterhand Literaturverlag, 01.01.2003
Deutsch
ISBN/EAN 9783630871387

Nikolaj Frobenius, 1965 in Oslo geboren, studierte am London Institute (Master of Art in Research and Screenwriting). Neben Romanen, Erz?hlungen und Gedichten schrieb er auch einige Filmdrehb?cher, u. a. zu Insomnia.
Christopher f?hrt mit seinen Eltern von Oslo nach Kopenhagen. So viel ist sicher. Denn von dieser F?hrfahrt gibt es ein Video: Bilder von famili?rer Vertrautheit sind darauf zu sehen, Bilder, wie sie auf gemeinsamen Ausfl?gen nun mal entstehen. Es sind die letzten Bilder, die Christopher von seinem Vater bleiben werden. Was mu? geschehen sein, da? einer pl?tzlich verschwindet? Christopher flieht vor dieser Frage, er verl??t seine Mutter und seine Freundin und reist ziellos durch S?damerika. Aber dann erreicht ihn doch ein Brief seiner Mutter und macht den Abgrund, den sein Vater in sein Leben gerissen hat, noch ein St?ckchen gr??er: Christophers Vater hatte eine zweite Familie und Christopher einen Halbbruder, der ihm wie ein Zwilling gleicht. Alles wei? dieser Bruder von ihm, und er gibt vor, ihn zu ihrem Vater f?hren zu k?nnen. Erst allm?hlich entdeckt Christopher, da? die Erz?hlungen seines Bruders wom?glich nur Wahnideen sind, und er unternimmt einen letzten Versuch, zu einem eigenen, einem neuen Leben zu finden ... Christopher schreibt sich seine Geschichte vom Leib und Frobenius l??t seinen Helden eine Sprache finden, die den Verlust aller Selbstverst?ndlichkeit mit unerbittlicher Pr?zision beantwortet, den Wahnsinn eines hinf?llig gewordenen Lebens mit der verst?renden Anmut des Abgr?ndigen.