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Herzlich Willkommen!
Vespucci war nicht der Entdecker Amerikas, aber auch nicht der Lügner und Betrüger, als den man ihn gescholten. Immer war er nur in der zweiten Reihe, immer im Schatten von anderen. Wenn trotzdem das strahlende Licht des Ruhms gerade auf ihn gefallen ist, so geschah es nicht durch besonderes Verdienst, nicht durch besondere Schuld, sondern durch Fügung, durch Irrtum, durch Zufall, durch Mißverständnis. Aber die Geschichte erlaubt nicht zu rechten, sie hat gerade ihn gewählt, und ihre Entscheidungen, selbst die irrigen und ungerechten, sind unwiderruflich. Durch zwei Worte – Mundus Novus –, die er oder jener unbekannte Herausgeber über seinen Brief gesetzt, und durch die »Vier Reisen« – ob er sie nun alle gemacht hat oder nicht – ist er eingefahren in den Hafen der Unsterblichkeit. Sein Name ist nicht mehr zu löschen aus dem glorreichsten Buch der Menschheit, und vielleicht am besten ist seine Leistung umschrieben mit dem Paradox, daß Columbus Amerika entdeckt, aber nicht erkannt hat, Vespucci es nicht entdeckt, aber als erster als Amerika, als einen neuen Kontinent erkannte. Dies eine Verdienst bleibt an sein Leben, seinen Namen gebunden. Denn nie entscheidet die Tat allein, sondern erst ihre Erkenntnis und ihre Wirkung.
Autor: Zweig, Stefan
ISBN: 9783946619253
Auflage: 1
Sprache: Deutsch
Seitenzahl: 120
Produktart: Gebunden
Verlag: Boer Verlag
Veröffentlicht: 01.01.2016
Untertitel: Die Geschichte eines historischen Irrtums
Schlagworte: Geschichte der Neuzeit Renaissance Zeit der Entdeckungen
Stefan Zweig (1881–1942), deutsch-jüdischer Abstammung, ist einer der bekanntesten österreichischen Schriftsteller und ein Klassiker der Moderne. 1934 floh er vor den Nazis über England nach Brasilien, blieb aber stets seiner alten Heimat gefühlsmäßig und sprachlich verbunden. Vor allem Zweigs Prosawerke und romanhafte Biografien finden bis heute ein breites Publikum. Das Gesamtwerk zeichnet sich durch eine hohe Dichte an Novellen (Schachnovelle, Der Amokläufer etc.) und historisch basierten Erzählungen aus. So finden historische Persönlichkeiten von Ferdinand Magellan, Lew Tolstoi, Fjodor Dostojewski, Napoléon Bonaparte, Georg Friedrich Händel, Maria Stuart, Joseph Fouché bis Marie Antoinette in einer stark subjektiv personalisierten Geschichte Eingang in Zweigs Werk.